Bild: Tesla (Produktion von Model Y in deutscher Gigafactory)
Nach dem ersten Lieferketten-Schock durch den russischen Angriff auf die Ukraine in diesem Februar hat sich die Lage in der europäischen Industrie zunächst etwas entspannt. So stieg die deutsche Auto-Produktion im September den fünften Monat in Folge und Tesla verzeichnete auch dank mehr Model Y aus der Gigafactory in Grünheide einen Rekord bei den Neuzulassungen. Jetzt aber naht der Winter – und mit ihm laut einer Analyse des Info-Dienstleisters S&P Global Mobility eine mögliche Energie-Krise, in der die Bänder bei europäischen Auto-Zulieferern und dadurch auch -Herstellern zeitweise stillstehen könnten.
1 Million weniger Autos pro Quartal
Vom vierten Quartal 2022 an und potenziell das ganze Jahr 2023 hindurch könnte die Produktion in der europäischen Auto-Industrie pro Quartal um gut 1 Million Fahrzeuge niedriger ausfallen als zuvor prognostiziert, teilte S&P Global Mobility in dieser Woche mit. Bislang erwarteten die Marktforscher ein moderates Wachstum auf 4-4,5 Millionen Fahrzeuge pro Quartal in Europa, jetzt rechnen sie eher mit 2,75-3 Millionen.
Denn wie frühere Krisen gezeigt hätten, kann schon der Ausfall eines kleinen Teils der Lieferkette gravierende Auswirkungen haben. Wenn der Winter wie derzeit erwartet kalt und feucht wird und gleichzeitig Energie knapp bleibt, könne es deshalb erneut zu Produktionsstopps kommen. Probleme sagt S&P Global Mobility vor allem für die Zeit von November 2022 bis Frühjahr 2023 voraus. Unter anderem das Modell „just in time“ werde Störungen erleben, weil Zulieferer beginnen, statt gleichmäßig verteilt phasenweise ohne Unterbrechung für Nächte oder Wochenenden zu produzieren, was energieeffizienter sei.
Bereits jetzt wirken sich die gestiegenen Energie-Preise laut der Analyse drastisch auf Produktionskosten aus. Bislang war laut S&P mit weniger als 50 Euro für Gas und Strom pro Fahrzeug zu rechnen, inzwischen seien es 678-773 Euro. Hinzu kämen teurere Rohstoffe in der noch entstehenden Lieferkette für Elektroautos. Höhere Preise seien aber bei Verbrauchern, die bereits mit Lebensmittel- und Energie-Inflation zu kämpfen hätten, kaum durchzusetzen.
Energie-Lage in Deutschland relativ gut
Zusätzlich hat S&P Global Mobility analysiert, wie sehr die Auto-Industrie in elf europäischen Ländern abhängig von den nationalen Umständen gefährdet ist. Für Deutschland, wo unter anderem Tesla seine Elektroauto-Fabrik bei Berlin betreibt, ergibt sich dabei ein überraschendes Ergebnis: Obwohl sich das Land für Gas auf Russland verlassen habe und seine Kernkraftwerke abschalte, soll es die drohende Energie-Krise mit am besten meistern. Dafür sprächen der große finanzielle Spielraum der sonst sparsamen Regierung, ein relativ geringer Gas-Anteil an der Strom-Erzeugung und erhebliche Gas-Reserven. Am stärksten gefährdet ist die Auto-Industrie für S&P in Spanien, Italien und Belgien.