Die Empörung war groß, als vor wenigen Tagen Russlands Anti-Satelliten-Test publik wurde. Das Land hatte einen eigenen alten Satelliten testweise abgeschossen und so mehr als 1000 Stücke Weltraummüll daraus gemacht. Auf der Internationalen Raumstation ISS wurde sogar ein Kollisionsalarm ausgelöst. Sieben Astronauten mussten sich vorübergehend in die angedockten Raumkapseln begeben – darunter der Deutsche Matthias Maurer, der erst vergangene Woche mit SpaceX zur ISS geflogen war. Auch die zivile russische Raumfahrtagentur Roskosmos, Mitbetreiberin der Station, war vom russischen Verteidigungsministerium offenbar nicht vorab informiert worden.
Domino-Effekt bei Starlink denkbar
Und die ISS ist offenbar nicht das Einzige, das durch den russischen Test gefährdet wird. Wie ein Experte Business Insider sagte, könnten manche der Trümmer auch das SpaceX-Satellitensystem Starlink treffen. Rund 1800 Starlink-Satelliten hat Elon Musks Firma bisher gestartet, um weltweit Highspeed-Internetzugang aus dem All zu ermöglichen.
Der zerstörte russische Satellit befand sich in einer Umlaufbahn von knapp 500 Kilometern Höhe, also etwas höher als die ISS und etwas niedriger als die meisten Starlink-Satelliten. Doch die Trümmerwolke hat eine gewisse Ausdehnung, und aufgrund von Kollisionen untereinander werden manche Teile neue Umlaufbahnen einschlagen. Wie hoch das Risiko für Starlink konkret ist, lässt sich vorerst schwer einschätzen. Würden kleine Stücke einen Satelliten treffen, könnte dieser ausfallen und irgendwann kontrolliert in der Erdatmosphäre verglühen. Ein größeres Trümmerstück allerdings könnte im schlimmsten Fall einen ganzen Starlink-Satelliten in hunderte oder gar tausende Stücke zerlegen – eine neue Trümmerwolke, die zu einer zusätzlichen Gefahr wird und im Extremfall einen Dominoeffekt verursachen könnte.
Dabei geriet das Starlink-Programm in Bezug auf das Thema Weltraumschrott selbst schon häufig in die Kritik. Denn zu den bald rund 2000 Satelliten sollen langfristig noch viele weitere tausend hinzukommen, am Ende insgesamt bis zu 42.000. Bei dieser Größenordnung kann man schätzen, dass in der Starlink-Konstellation irgendwann hunderte ausgefallene Satelliten sein werden. Zum Vergleich: In der gut 60-jährigen Geschichte der Raumfahrt wurden bisher erst rund 9000 Satelliten gestartet, von denen viele mittlerweile inaktiv sind. Manche zerlegen sich dann selbst, da zum Beispiel die Batterien bersten. Hinzu kommen Raketen-Oberstufen, die – obgleich ihr eigentlicher Flug ein Erfolg war – später durch Treibstoffreste explodieren. Auf diese Weise entstanden rund um die Erde bisher über 700.000 Schrott-Teilchen von mehr als einem Zentimeter Durchmesser, und viele Millionen noch kleinere, die ebenfalls nicht ungefährlich sind.
SpaceX-Starship soll Müll einsammeln
Vollständig zerstörte Satelliten gibt es bisher selten. Doch sie steuern besonders viel Trümmer und Stückchen bei, wie bei der Kollision eines amerikanischen und russischen Satelliten 2009 und bei militärischen Zerstörungen – die wurden auch von den USA, der Sowjetunion, China, Indien schon getestet. Von den über 1000 Trümmern des jüngsten russischen Vorfalls werden viele wohl recht bald in der Atmosphäre verglühen. Doch bleiben laut dem Southampton-Professor Hugh Lewis auch in zwei Jahren noch 300 Teile und sehr langfristig rund 200 Teile übrig, die ein direktes Risiko für die zivile Raumfahrt und die ISS darstellen können.
Entwicklungen zur Beseitigung des zunehmenden Weltraum-Mülls gibt es bislang wenige. Ein Beispiel ist die ESA-Initiative Clean Space. Und SpaceX-Chef Musk selbst deutete im Sommer an, das Starship könne bei künftigen Orbital-Missionen mit geöffneter Nutzlastklappe Schrott einsammeln. Vielleicht kommt es ja noch rechtzeitig, um für alle Fälle die Starlink-Flotte zu schützen.