Nachdem er den Dienst doch noch für 44 Milliarden Dollar gekauft hat, kann wohl niemand mehr außer ihm selbst den Twitter-Account von Tesla-CEO Elon Musk sperren – und am Wochenende erweckte er den Eindruck, nur darauf gewartet zu haben. Zunächst harmlos und offensichtlich im Scherz erklärte er, endlich die Wahrheit schreiben zu können: Kohlenhydrate seien toll. Dann aber stellte der Tesla-Chef auf Twitter einen Link zu einem Artikel ein, in dem ein Angriff auf den Ehemann der Repräsentantenhaus-Sprecherin Nancy Pelosi anders dargestellt wurde als in praktisch allen anderen Medien. Es gebe eine winzige Wahrscheinlichkeit, dass mehr dahinterstecke, schrieb Musk verschwörerisch – löschte diese Nachricht aber später ohne Kommentar wieder.
Desinformationen von Musk und Feinden
Den Twitter-Kauf, den er zwischendurch wieder abgesagt hatte und vergangene Woche dann doch vollzog, hatte der Tesla-Chef unter anderem mit seinem Wunsch begründet, dort freiere Meinungsäußerung zu ermöglichen. „Der Vogel ist befreit“, schrieb er nach dem Abschluss vergangene Woche in einer Anspielung auf das blaue Symbol des Dienstes. Allerdings erklärte Musk auch, sich in dieser Hinsicht an Gesetze halten zu wollen. Nach der Übernahme versicherte er zudem Anzeigen-Kunden öffentlich, Twitter solle keine „Hölle“ werden, in der jeder alles sagen dürfe.
Trotz seiner bisherigen Erfolge mit Tesla und SpaceX schlägt Musk bei seinem Twitter-Projekt große Skepsis entgegen. Und nicht nur sein eigener Ausrutscher mit dem gelöschten Link zu einer Publikation, die nach anderen Berichten für Falschmeldungen bekannt ist, spricht dafür, dass der richtige Weg mit sozialen Medien nicht leicht zu finden ist. Vergangene Woche war ein Mann in das Haus von Sprecherin Pelosi eingedrungen und hatte ihren Ehemann verletzt. Die Seite Santa Monica Observer berichtete dazu, Angreifer und Opfer hätten in einem homosexuellen Verhältnis gestanden, was keinerlei faktische Grundlage zu haben scheint. Durch die Musk-Erwähnung bekam die inzwischen ebenso wie sein Tweet gelöschte Darstellung viel Aufmerksamkeit.
Gleichzeitig scheint Musk selbst zum Ziel von neuen Desinformationskampagnen zu werden. Ebenfalls noch amüsant ließen sich zwei Personen am Freitag vor dem Twitter-Hauptquartier von Medien befragen und behaupteten, soeben entlassen worden zu sein, was sich als gespielt herausstellte. Außerdem wurde berichtet, dass die Zahl der rassistischen Äußerungen auf Twitter seit der Übernahme durch den Tesla-Chef stark zugenommen habe. Dahinter schienen aber Musk-Feinde zu stecken, die eigens neue Konten anlegten, um diesen Eindruck zu erwecken. Der neue Eigentümer selbst schrieb dazu, die Twitter-Moderationsregeln hätten sich noch nicht geändert.
Tesla-Chef will schnelle Twitter-Arbeit
Ebenfalls dementiert wurde von Musk ein Bericht der New York Times, laut dem es bei Twitter noch vor Ende Oktober viele Entlassungen geben soll. CEO und CFO sowie zwei wichtige Juristen traf es wohl schon vergangene Woche, und deren zweistellige Millionen-Abfindungen will Musk angeblich nicht bezahlen. Laut NYT soll aber eine ungenannte Zahl anderer Beschäftigter folgen – vor dem 1. November, weil dann neue Aktien-Zuteilungen anstehen würden, die einen großen Teil der Vergütung ausmachen. Das bezeichnete Musk auf Twitter als „falsch“, ging aber nicht auf Nachfragen ein, ob sich sein Dementi auf den gesamten Artikel oder nur einzelne Aspekte davon bezog.
This is false
— Elon Musk (@elonmusk) October 30, 2022
Dass der Twitter-Vogel schlanker werden muss, scheint jedenfalls sicher. 75 Prozent Personal-Abbau hatte Musk gegenüber Beschäftigten dementiert, doch ein Fondsmanager sagte der NYT, er habe von 50 Prozent gehört. Der Tesla-Chef selbst erklärte zu diesem Thema auf seiner jetzt eigenen Plattform, dort scheine es für jeden Programmierer zehn Manager zu geben, was in eine ähnliche Richtung geht. Laut einem Bericht von The Verge hat Musk außerdem schon einen ersten geschäftlichen Entschluss für Twitter gefasst: Das Abo-Angebot Blue soll künftig statt 4,99 Dollar 19,99 Dollar im Monat kosten und auch die Verifizierung als echter Account umfassen. Die dafür zuständigen Beschäftigten sollen eine Deadline bis Sonntag zur Erledigung bekommen haben – und die Drohung, entlassen zu werden, wenn sie bis dahin nicht fertig sind.