Bilder: teslamag.de & Ford
Von Ford gibt es in Sachen Elektroautos bislang vor allem markige Sprüche: Tesla habe es mit dem „ultimativen Disruptor“ zu tun, warnte im Sommer 2019 der damalige CEO mit Blick auf die Ford-Historie, und Anfang November erklärte sein Nachfolger, die erste echte Konkurrenz für den Pionier werde aus dem eigenen Haus kommen. Bald kommt jedenfalls das Auto auf den Markt, mit dem Ford auf Tesla-Terrain vorstoßen will: der Mustang Mach-E. Bei einer Veranstaltung in Hamburg hatte teslamag.de schon Gelegenheit, eine Test-Mitfahrt damit zu machen.
Ford-Elektroauto mit viel „Emotion“
In den USA wahrscheinlich wirkungsvoller als hierzulande will Ford mit dem Mustang Mach-E an die Tradition seines klassischen Pony Cars ohne den Elektro-Nachsatz anknüpfen. Doch das erfordert einen optischen Spagat: Der originale Mustang war sportlich-niedrig, der elektrische dagegen ist hoch wie ein Tesla Model Y. Das dürfte teils dem aktuellen Massengeschmack und teils der Batterie im Unterboden geschuldet sein. Um es zu kaschieren, setzt Ford auf eine niedrig auslaufende Coupe-Dachlinie eine farblich abgesetzte Erhöhung, was nicht einmal schlecht funktioniert. Eine Folge ist allerdings, dass man nicht recht weiß, was für eine Art Auto man mit dem Mustang Mach-E vor sich hat.
Ob Himmelblau (oder „Atoll-Blau Metallic“) als Farbe für ein sportliches Zukunftsauto wie mehrere der E-Mustangs in Hamburg passt, ist eine andere Frage. Jedenfalls soll dieses Elektroauto nicht einfach nur fahren, und zwar dank Akku mit bis zu 99 Kilowattstunden sogar bis zu 610 WLTP-Kilometer weit, sondern „Emotionen“ wecken. Das wurde der kompetent wirkende Ford-Mitarbeiter am Steuer nicht müde zu betonen.
Denn mit einem besonderen Angebot statt reinem Nutzwert könne man mit Elektroautos besser Geld verdienen, erklärte der Fahrer. Tatsächlich liegen die Preise für den Mustang Mach-E anders als bei anderen Elektro-Nachrückern wie Volkswagen mutig auf Tesla-Niveau. Ab 46.900 Euro gibt es den Ford, Tesla will für das Model 3 mindestens 46.400 Euro haben. Im Mach-E steckt dann zwar ein deutlich größerer Akku (75,7 kWh gegenüber rund 55 kWh beim kleinsten Model 3), aber mit 440 Kilometern bringt er nur etwa 10 Kilometer mehr WLTP-Reichweite.
Raumgefühl enger als bei Tesla
Unterwegs waren wir in Hamburg in einer voll ausgestatteten First Edition für 67.900 Euro. Das wiederum sind rund 10.000 Euro mehr als beim Tesla Model Y und auf dem Niveau von dessen viel schnellerer Performance-Variante. Die Reichweite beim Ford mit 99 Kilowattstunden Batterie statt rund 75 Kilowattstunden wie beim Tesla ist nach den aktuellen Angaben mit 610 Kilometern gegenüber 505 Kilometern merklich höher. Aber das Mustang-Erbe soll ein sportliches sein, und mit bestenfalls 5,8 Sekunden aus dem Stand von 0-100 Stundenkilometer ist der „emotionale“ Mach-E selbst dem kleinsten Tesla Model 3 unterlegen.
Sportlich gestaltet wurde er aber tatsächlich, und ein paar Details zeigen, dass Ford sich mehr Zeit zum Nachdenken gelassen hat als Tesla – zum Teil aber nur zur Lösung von selbst verursachten Problemen. So lässt sich im Mach-E eine Front-Kamera auf den Bildschirm schalten, die den Bereich direkt vor dem Fahrzeug zeigt. Bei Tesla ist dort ein toter Winkel, und die Bilder von vorne behält der Autopilot bislang ohnehin für sich. Aber bei dem Elektroauto-Ford ist der künstliche Blick nach vorn auch dringender nötig. Denn man sitzt in dem relativ hohen Crossover sportlich-tief und blickt daraus nicht nur auf die Straße, sondern zu guten Teilen auf die mächtige Front-Haube mit zwei traditionellen Mustang-Hutzen.
Die bräuchte es natürlich heute nicht mehr, räumt der Ford-Fahrer ein – aber Sie wissen schon, die Emotionen. Bei uns eher negative Gefühle weckte zusätzlich das Gefühl, unter einem niedrigen Dach zu sitzen: Die Raumwahrnehmung in dem Ford war trotz Panorama-Glas viel enger als im Tesla Model 3 und erst recht im großen Model X. Im Ford-Cockpit bleibt es trotz viel neuer Display-Bedienung ebenfalls konventionell-verknopft. Vielleicht ein ebenfalls typischer Unterschied zu Tesla: Wie andere Elektroautos traditioneller Hersteller hat auch der Ford eine Option für künstlichen Motor-Sound im Innenraum. Anhören ließ sie sich nicht, weil die Software Mitte Oktober in Hamburg noch auf einem Vorserien-Stand war, wie der Vorführer erklärte.
Mustang Mach-E als Angeber-Elektroauto
Anders als die für ein sportliches Elektroauto mäßige Beschleunigung dürften das bewusste Design-Entscheidungen gewesen sein, die ihre Anhänger finden mögen. Uns aber haben sie, vielleicht Tesla-verwöhnt, sämtlich nicht gefallen. Die Begleiterin bei dem Test weist dringend darauf hin, dass immerhin die Kunstleder-Sitze in dem Elektro-Ford „sehr bequem, weich und angenehm“ seien. Doch auch daran haben wir etwas auszusetzen: Sie sind mit Ziernähten versehen, von denen der Ford-Mitarbeiter sogar sagen konnte, welche Farbe welcher Variante vorbehalten ist. Aber das haben wir uns nicht gemerkt, weil wir die Idee grundsätzlich überflüssig finden.
Bei der Reichweite gibt sich der Ford Mustang Mach-E mit einem Start knapp oberhalb von Tesla-Niveau und mehr gewiss keine Blöße. Doch die Gestaltung scheint ansonsten dem Prinzip mehr Schein als Sein zu folgen, was den Mustang für uns zu einem Angeber-Elektroauto macht – immerhin vielleicht dem ersten weltweit. Fords CEO Jim Farley bezeichnete ihn vor kurzem als „erste echte Konkurrenz für Tesla“. Als Grund dafür nannte er hauptsächlich, dass ein Tesla kein Mustang sei. Das stimmt wahrscheinlich, aber ist es wirklich ein Argument für den Ford?