Bild: Tesla (Musk bei Veranstaltung im Juni 2021)
Bei der Hauptversammlung von Tesla im Mai wird nur ein Antrag von Aktionären zur Abstimmung kommen – wohl nicht, weil es nicht mehr Bedarf gäbe, sondern weil der Schluss-Termin für Eingaben überraschend früh lag. In dem Antrag fordert eine isländische Gesellschaft, dass Tesla insbesondere mit Blick auf CEO Elon Musk über Schlüsselperson-Risiken und den Umgang damit informiert. Und eine ähnliche Initiative kommt jetzt außerhalb der Reihe von einer Gruppe institutioneller Anleger, die sogar fordert, dass Musk gehen soll, wenn es nicht gelingt, dafür zu sorgen, dass er Tesla genügend Zeit und Aufmerksamkeit widmet.
Brief mit Vorwürfen an Tesla-Board
Hinter dem offenen Brief mit Datum von Freitag stehen nach den Angaben darin langfristig orientierte Anleger, die zusammen 1,5 Milliarden Dollar an Tesla-Aktien halten. Jede der unterzeichnenden 17 Gesellschaften habe ursprünglich investiert, weil sie das Unternehmen als wirklich führend bei Produkten und Dienstleistungen für eine grüne und nachhaltige Wirtschaft gesehen hätten. Mittlerweile sei man aber zunehmend besorgt über Governance- und Führungsfragen bei Tesla.
In dem an zwei Mitglieder des Boards gerichteten Schreiben wird dem Gremium vorgeworfen, nicht dafür zu sorgen, dass sich der CEO hinreichend auf Tesla konzentriert. Es lasse zu, dass Musk mehrere Unternehmen gleichzeitig leite, was verhindere, dass er sich um die vielen Probleme allein für Tesla kümmere. Seit Musk im April 2022 zum ersten Mal über den Einstieg bei Twitter informierte, habe das Unternehmen 580 Milliarden Dollar an Börsenwert verloren, erinnern die Anleger.
Außerdem schreiben sie, dass es Hinweise auf eine toxische Kultur in den Tesla-Fabriken gebe, wofür sie mehrere Klagen wegen Rassismus und sexueller Belästigung als Beleg anführen. Zudem könnten die Anteilseigner nicht wissen, wie viel es davon wirklich gebe, weil Tesla mit privaten Schiedsgerichten und Schweigevereinbarungen arbeite. Darüber hinaus scheine das Unternehmen eine Kultur zu haben, selbst über dem Gesetz zu stehen, wie sich an abfälligen Äußerungen von Musk über Behörden zeige. Und es nehme Menschenrechtsrisiken im Kongo und in China auf sich.
Musk soll sich verpflichten oder gehen
Bei all dem mangelt es dem Tesla-Board an Unabhängigkeit und Mechanismen, um die Führung zu kontrollieren, schreibt die Gruppe weiter. Mehrere seiner Mitglieder seien persönlich eng mit Musk verbinden. Bei seinem Bruder Kimbal ist das offensichtlich, doch auch mit zwei anderen soll er langjährig befreundet sein. Außerdem werde das Board mit Aktien-Optionen mit Millionen-Werten außergewöhnlich gut bezahlt, was seine Objektivität und Fähigkeit weiter beeinträchtige, die Interessen von Tesla und seiner Aktionäre voranzustellen.
Ihre Forderung stellen die Anleger gleich am Anfang des offenen Briefes: Das Board soll mitteilen, wie es sicherstellen kann, dass Tesla einen CEO hat, der dem Unternehmen genügend Zeit und Aufmerksamkeit widmet. Entweder müssten seine zusätzlichen Verpflichtungen eingeschränkt oder eine Nachfolge-Planung vorgesehen werden, schreiben sie – fordern also, dass Musk zurücktritt oder gekündigt wird, wenn er sich nicht in Vollzeit verpflichten lässt. Außerdem wollen die Tesla-Aktionäre, dass aus dem Board nach und nach die Mitglieder mit engen Musk-Verbindungen ausscheiden.
Vor dem 25. Mai wollen sie sich mit dem Tesla-Board treffen, um über die Bedenken und Lösungsvorschläge zu sprechen. Der Termin liegt nach der Hauptversammlung am 16. des Monats – bei dieser Veranstaltung dürften sie nicht zur Sprache kommen, denn sie wurden außerhalb des normalen Verfahrens dafür gemacht. Die Anleger kündigen aber an, bei anderen Punkten unabhängig voneinander ihre Überzeugung zum Ausdruck bringen zu wollen, dass Kontrolle durch das Board und Unabhängigkeit seiner Mitglieder bei der Abstimmung über seine Besetzung relevant seien.
Nur Bruchteil aller Tesla-Stimmen
Tesla dagegen findet, dass mit seinem Board und CEO einschließlich Corporate Governance alles in Ordnung ist, wie aus den Anfang April veröffentlichten Unterlagen zur Hauptversammlung grob zusammengefasst hervorgeht. Erneut ins Board gewählt werden sollen demnach in diesem Jahr Musk und die Vorsitzende Robyn Denholm; neu aufnehmen will Tesla anstelle des japanischen Fondsmanagers Hiromichi Mizuno JB Straubel – als Mitgründer des Unternehmens und Chef des Batteriematerial-Herstellers Redwood fachlich eine Bereicherung, aber nicht unbedingt unabhängig von Musk.
Mindestens der Musk-Neuberufung dürften die Anleger, die jetzt den Brief schrieben, bei der Hauptversammlung widersprechen. Ihre Aktien machen allerdings nur einen kleinen Bruchteil aller Tesla-Stimmen aus. Der kleine Anleger-Aufstand dürfte also ohne Folgen bleiben, wenn sich nicht weitere Gruppen mit größeren Positionen anschließen.