Bild: Munro Live
Sandy Munro hat in seinen zehn Jahren als Ingenieur bei Ford und anschließend mehr als drei Jahrzehnten als Berater für schlanke Produktion viel gesehen, aber man kann ihn immer noch überraschen. Vergangene Woche präsentierten Kollegen ihm ein Foto, das zuvor einer YouTuberin zugespielt wurde und wohl einen Tesla Cybertruck im unfertigen Zustand in der Gigafactory in Texas zeigt. Munro staunte über die Konstruktion, die nach seinem ersten Eindruck ein riesiges Gussteil für das Heck des Tesla-Pickups erkennen ließ. Bei genaueren Hinsehen stellte er jedoch fest, dass es in Wirklichkeit aus fünf zusammengesetzten Teilen besteht.
„Tonnenweise Kommentare“ zu Tesla-Foto
Die spontane Reaktion von Munro kurz nach der Veröffentlichung des Cybertruck-Fotos und erster Berichte darüber fiel begeistert, aber auch etwas ratlos aus. Jemand werde dafür gefeuert werden, sagt er in einem kurzen Twitter-Video, um dann unter gelegentlichen Ausrufen des Erstaunens bei laufender Kamera das Bild zu studieren. Er fragt nach weiterem Material (das es derzeit nicht gibt), und erklärt, was er sehe, sei noch revolutionärer als gedacht. Dann beschleichen den Tesla-Experten allerdings schon leise Zweifel, ob der hintere Cybertruck-Element tatsächlich aus nur einem Stück besteht.
In einem am näcnsten Tag bei YouTube veröffentlichten Video haben sie sich verdichtet. Er habe tonnenweise Kommentare zu dem Foto bekommen, erklärt Munro zu Beginn. Dabei spricht er noch von einem „single casting“ hinten am Cybertruck, doch es hört sich gleich so an, als würde er daran nicht mehr glauben. Dann zählt er anhand der Aufnahme auf einem großen Bildschirm hinter ihm laut nach und kommt auf fünf Komponenten, aus denen das vermeintlich riesige Gussteil aus einem Stück zusammengesetzt sei.
Die Erwartungen an den Cybertruck waren in dieser Hinsicht anspruchsvoller. Schon dass er offenbar überhaupt eine tragende Konstruktion unterhalb der sichtbaren Edelstahl-Karosserie bekommen soll, passt nicht recht zu der Tesla-Aussage von der Vorstellung, der Pickup werde ein Exoskelett haben. Zudem wurde zumindest mit größeren Guss-Elementen gerechnet, denn Tesla-CEO Elon Musk hatte im Juli über die Bestellung einer Giga-Presse mit 9000 Tonnen Schließkraft für den Cybertruck informiert. Das sind 3000 Tonnen mehr als bei den Druckguss-Maschinen für das Model Y, dessen Heck-Rahmen aus nur noch einem Druckguss besteht.
Cybertruck-Prototyp nicht aus Giga-Presse
Laut Munro sind die Teile auf dem aktuellen Cybertruck-Foto allerdings nicht einmal in einer solcher Giga-Presse entstanden. Zu sehen sei noch ein Prototyp, erklärt er, und in dieser Phase arbeite Tesla wohl noch mit der schnellen Herstellung von Einzelteilen mit anderen Verfahren. Die Giga-Presse mit 9000 Tonnen Schließkraft, die der Hersteller Idra Systems aus Italien vor kurzem nach eigenen Angaben bereit für den Transport zu einem ungenannten Kunden machte, kann laut Munro seitdem noch nicht in der Tesla-Fabrik zum Laufen gebracht worden sein. Bis wirklich ein Cybertruck-Heck aus nur einem Element oder zumindest weniger als fünf in Texas zu sehen ist, dürfte es also noch etwas dauern.