Bild: Duke University
Nicht sehr viele Personen trauen sich oder haben Lust darauf, auf der von Anhängern von Elon Musk dominierten Plattform Twitter Kritik am Autopilot-System von Tesla zu üben, aber Marie Louise (oder meist nur Missy) Cummings gehört definitiv dazu. Die Informatik-Professorin beschäftigt sich an der Duke University unter anderem mit autonomen Systemen, ist also vom Fach, und bezeichnete zum Beispiel vor kurzem Teslas öffentliche Tests mit der Beta-Software FSD als „illegal“. Und bald soll ihre kritische Stimme besonders Gewicht bekommen: Laut einem Bericht wird Cummings Sonderberaterin der für das Autopilot-System zuständigen Behörde NHTSA.
Tesla-Fans auf Twitter protestieren
Die Personalie ist hierarchisch gesehen die unwichtigere von zweien, von denen die Nachrichten-Agentur Reuters am Dienstag berichtete. US-Präsident Joe Biden werde Steven Cliff, die aktuelle Nummer 2 der Behörde, zu ihrem Leiter machen, erfuhr die Agentur aus dem Weißen Haus. Für Cummings ist ein Posten als leitende Sicherheitsberaterin bei der NHTSA vorgesehen. Ihre Berufung wurde später bestätigt, mit der Begründung, man wolle von ihrer Erfahrung und führenden Stellung bei Sicherheit und Autonomie-Technologie profitieren.
Die Meldung stimmt also, und es dauerte nicht lange, bis der Protest der Tesla- und Musk-Anhänger auf Twitter begann. Mehrere verwiesen auf die Tatsache, dass Cummings nicht nur Professorin ist, sondern auch im Board von Veoneer sitzt; das Unternehmen stellt unter anderem Lidar-Sensoren her, die Musk als einer von nur wenigen Autonomie-Entwickler als unnötig ablehnt. Ein bekannter Follower aus dem engeren Musk-Kreis drohte sogar einen „Kampf“ um das Autopilot-System an, was er aber später als Scherz bezeichnete.
Objectively, her track record is extremely biased against Tesla
— Elon Musk (@elonmusk) October 20, 2021
Der CEO selbst meldete sich zu der Berufung von Cummings ebenfalls zu Wort. Objektiv gesehen, sei ihre Vergangenheit extrem voreingenommen gegen Tesla, schrieb er als Antwort zum Beitrag eines anderen Followers, der gezeigt hatte, dass Cummings mehreren bekannten Kritikern folgt. Die Angegriffene (die in den 1990er Jahren eine der ersten Kampfpilotinnen der US Navy war) reagierte allerdings souverän darauf: Sie sei jederzeit gern bereit, sich mit Musk zusammenzusetzen und zu sprechen, bot sie an. Eine Reaktion vom Tesla-Chef darauf kam zunächst nicht.
NHTSA beobachtet Autopilot und FSD
Nach Auskunft der NHTSA gegenüber Reuters soll Cummings nur temporär dort arbeiten. Ohnehin hatte sich die Behörde zuletzt schon vor der Nachricht über den Posten für die Professorin strenger gegenüber Tesla gezeigt. So startete sie eine Voruntersuchung von zwölf Unfällen, bei denen Teslas offenbar unter Autopilot-Steuerung Einsatz-Fahrzeuge am Straßenrand gerammt hatten. Außerdem wurde Ende Juni eine Meldepflicht für alle Unfälle eingeführt, bei denen Assistenz-Systeme eine Rolle gespielt haben könnten. Und auch zu dem Beta-Test mit der FSD-Software, den Tesla derzeit auf mehr als die ersten knapp 2000 Teilnehmer erweitert, forderte die NHTSA schon vergangene Woche mehr Informationen von Tesla an.