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Wahnsinn mit Methode: Management-Experten analysieren Strategie von Tesla-Chef Elon Musk

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Bild: Tesla (Musk bei Eröffnung deutscher Gigafactory)

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Die überraschend gestartete und dann aufgekündigte Übernahme von Twitter ist nicht die erste Gelegenheit, bei der viele das Verhalten von Elon Musk schwer nachvollziehen können – aber vielleicht die bislang gravierendste, weil er vor Gericht noch zu dem Kauf gezwungen werden könnte, für den er Tesla-Aktien in zweistelliger Milliarden-Höhe verkaufen oder verpfänden müsste. Zwei Strategie-Professoren haben nach ihrer Darstellung viele Fragen dazu bekommen und das zum Anlass genommen, einen Fachbeitrag über den Chef von Tesla, SpaceX und Boring und auch sonst umtriebigen Unternehmer zu schreiben. In seinem vermeintlichen Wahnsinn sehen sie durchaus Methode, aber einen gewissen Mangel an Logik.

Gemeinsamkeiten bei Tesla, SpaceX, Boring

Beim Punkt Vision kann Musk nach Ansicht von Andy Wu und Goran Calic, beide Management-Professoren mit Strategie-Schwerpunkt, mit allen seinen Unternehmen punkten. Tesla, SpaceX und die übrigen Aktivitäten sehen sie hier durch einen gemeinsamen Ansatz geeint: Musk gehe nicht spezifische Lösungen an, sondern suche sich schwierige Probleme, die er dann mit langem Atem zu lösen versucht, schreiben sie in dem Beitrag in Harvard Business Review. Gern dürfe dabei auch ein hohes Maß an Komplexität und Skalierung im Spiel sein, das den Einsatz von viel Zeit und finanziellen Ressourcen erfordert. Und bei den Planungen von Musk spiele offensichtlich die Lernkurve eine wichtige Rolle, also der Effekt, dass zunehmende Produktion die Kosten pro Stück – seien es Raketen oder Elektroautos – sinken lässt.

Wenn man solche komplexen Probleme löst, locken als Belohnung Wettbewerbsvorteile, schreiben Wu und Calic weiter. Denn kaum jemand traue sich überhaupt, sie anzugehen, was zudem die Beschäftigten bei Musk zu überaus ambitionierten Ergebnissen antreiben könne. Auf der anderen Seite bedeutet es, dass manche ehrgeizigen Ziele zumindest zeitlich verfehlt werden. Als Beispiel nennen die Strategie-Forscher Musk-Prognosen zu dem SpaceX-Dienst Starlink, der in diesem März erst 0,625 Prozent des für 2025 geplanten Abonnenten gehabt habe. Bei Tesla kommt hier schnell die Weiterentwicklung des Autopilot-Systems zum autonomem Fahren in den Sinn, die laut Musk schon mehrere Male bevorstand, sich aber immer weiter verschiebt.

Auch bei der Organisation haben die Musk-Unternehmen Gemeinsamkeiten – sie machen praktisch alles selbst. Das bedeutet hohe vertikale Integration, geschlossene Standards und wenn nötig ein ganzes neues Ökosystem, im Fall von Tesla bestehend aus Elektroautos und den dazugehörigen Superchargern. Wie bei Apple könne die Kontrolle über derlei proprietäre Technologie Vorteile haben, schreiben die Management-Experten. Man riskiere damit aber, technisch ins Hintertreffen zu geraten, wenn andere Anbieter mit der Zeit bessere Komponenten entwickeln. Als Tesla-Beispiel nennen die Professoren Batterien. Das erscheint aber nicht sehr passend, weil Musks Elektroauto-Unternehmen sich sehr offen für fremde Batterie-Fortschritte zeigt, auch wenn es selbst in die Produktion einsteigen will.

Musk als Magnet für Geschäftskapital

Als einen Kern-Faktor zum Umsetzung seiner Strategie bezeichnen die Experten Musks Zugriff auf Kapital, von dem sie sich beeindruckt zeigen: Mit acht Unternehmen habe er bislang gut 34 Milliarden Dollar eingesammelt. Die meisten Börsen-Beobachter würden bislang nicht verstehen, warum das so gut funktioniert – und es sei auch das, was Musk am schwierigsten nachzumachen sei.

Um die Überzeugungskraft des Chefs von Tesla und mehr zu verstehen, unterteilen Wu und Calic diesen Faktor nach Aristoteles in Ethos, Pathos und Logos. Bei Ethos geht es laut dem Fachbeitrag in diesem Zusammenhang um die Glaubwürdigkeit eines Sprechers. Bei Musk sei die in Bezug auf Kapital-Sammlung stark ausgeprägt, weil er einen Großteil seines eigenen Geldes in seine Unternehmen investiert habe. Auch Pathos hat Musk laut den Autoren reichlich zu bieten. Seine ganze Weltsicht sei von Ambition geprägt, und das versetze ihn in die Lage, andere Menschen mitzureißen.

Logos schließlich steht für Appelle an die Logik, und ausgerechnet hier soll der als streng rational auftretende Tesla-Chef am wenigsten überzeugend sein. Musk erreiche schwierigste Ziele, aber auf unvorhersagbare Weisen, schreiben Wu und Calic. So habe er mit SpaceX anfangs nur zur Inspiration Pflanzen auf dem Mars züchten wollen, transportiert von einer russischen Rakete. In seinen Master-Plänen für Tesla zeige sich Musk wenig konkret. Das sei ihm aber nicht unbedingt anzulasten, denn zukünftige Technologie lasse sich kaum sicher vorhersagen. Auf jeden Fall würden sich Anleger in Musk-Unternehmen stark für die Zukunft interessieren und sich von ihm inspiriert fühlen – und genau solche Investoren brauche man, um große Probleme angehen zu können wie Tesla, SpaceX oder auch Boring.

Musk-Stärken bei Twitter weniger klar

Mit Blick auf Twitter sind sich die Strategie-Experten allerdings nicht sicher, ob die Musk-Stärken auch hier vorhanden sind und wirken. An Ethos fehle es nicht, weil er auch hier viel eigenes Geld investiere. Auch das Moderieren von Inhalten sei inzwischen ein bedeutendes und komplexes Thema nach dem Geschmack des Tesla-Chefs geworden. Beim Pathos wird es schon schwieriger, weil seine geäußerten Twitter-Pläne tendenziell polarisierend gewirkt hätten. Und an Logos fehle es auch hier, weil Musk einerseits sagte, er interessiere sich nicht für die Wirtschaftlichkeit des Dienstes, auf der anderen Seite aber mit Prognosen zu verbesserten Geschäftszahlen um Co-Investoren warb.

Ob die bewährte Musk-Philosophie bei Twitter funktioniert hätte, wird sich vielleicht nie sagen lassen, weil er um die nicht mehr angetrebte Übernahme möglicherweise noch herumkommt, schließen die Manager-Professoren ihre Analyse. Schon viele Anleger hätten Geld verloren, indem sie einer inspirierenden Führungsfigur folgten, obwohl die nie wirklich ihre Logik erklärte, warnen sie allgemein. Klar sei auf jeden Fall, dass Musk schon jetzt Dinge erreicht habe, die niemand für wirklich möglich gehalten habe – und das mit einer Strategie, die durchaus konsistent, wenn auch wagemutig sei.

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