Schon im Vorfeld des europäischen Weltraumgipfels diese Woche in Toulouse sickerte eine interessante Neuigkeit durch: Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton will ein europäisches Netz für satellitenbasierten Internetzugang – ähnlich wie das Starlink-Netz von SpaceX, das schon jetzt nicht das einzige dieser Art ist. Von solch privaten Systemen will sich die EU ausdrücklich unabhängig machen. Das europäische Netz soll durch Quantenverschlüsselung gesichert werden und insbesondere auch für staatliche und militärische Anwendungen zur Verfügung stehen. Rund sechs Milliarden Euro sollen in das Projekt fließen, gut ein Drittel aus dem EU-Haushalt, der Rest aus den Mitgliedsstaaten und der Industrie.
EU-Projekt als neuestes Satelliten-Netz
Im nächsten Jahr soll das EU-Projekt starten, damit 2025 erste Dienste verfügbar sind und 2028 das ganze Netz. Da es aber nur Europa sowie – entlang ähnlicher Längengrade und aus geopolitischen Gründen – Afrika abdecken soll, werden dafür weniger Satelliten gebraucht als bei Starlink. Das Netz von SpaceX hat bereits mehr als 2000 Satelliten im Orbit, von denen momentan 1852 aktiv sind. In den nächsten Jahren sollen es rund 4400 werden, dazu möglicherweise bis zu 7500 weitere im V-Band.
Aber das ist schon heute längt nicht alles. Das britische Unternehmen Oneweb hat bisher knapp 400 Satelliten im Orbit, 648 sollen es bald und langfristig mehr als 6000 werden. Jeff Bezos, Gründer nicht nur von Amazon, sondern auch des Raumfahrt-Unternehmens Blue Origin, plant ebenfalls ein Satelliten-Netz für globalen Internetzugang: Projekt Kuiper mit 3236 Satelliten, dessen Aufbau zum Jahresende beginnen soll. Und mit längerfristig bis zu 12.992 Satelliten soll zusätzlich das chinesische Netz GuoWang Dimensionen wie bei Starlink erreichen.
Damit sind nur die größten Player genannt. Hinzu kommen Pläne kleinerer Staaten und Unternehmen mit jeweils wenigen hundert Satelliten für eine begrenztere Abdeckung. Man kann also davon ausgehen, dass in einigen Jahren mehrere zehntausend Satelliten allein für Internet-Dienste in niedrigen Erdumlaufbahnen kreisen werden – weit mehr, als an anderen Satelliten in der Geschichte der Raumfahrt von 1957 bis heute gestartet wurde. Das produziert Risiken. Anfang Februar reichte die NASA ein Papier bei der US-Kommunikationsbehörde FCC ein, in dem sie Bedenken gegen einen maximalen Starlink-Ausbau äußerte.
Nasa warnt vor Störung durch SpaceX
Denn Musk hat mit SpaceX langfristig ein Netz der zweiten Generation im Sinn, mit bis zu 30.000 Satelliten, die mit Starship-Raketen gestartet werden. Bei einer solchen Größenordnung könnte laut NASA die Kollisionsgefahr deutlich ansteigen und damit noch viel mehr Weltraummüll entstehen, der in einem Domino-Effekt zu weiteren Kollisionen und damit Trümmern führen könnte. Starlink-Satelliten verfügen zwar über ein automatisches System, mit dem sie bei Kollisionsgefahr Ausweichmanöver starten. Doch die NASA äußert Zweifel, ob dieses System bei einer insgesamt riesig werdenden Zahl von Satelliten verschiedener Betreiber zuverlässig funktioniert.
Darüber hinaus kann eine solch riesige Konstellation höher fliegende Satelliten zur Erdbeobachtung stören, ebenso wie astronomische Teleskope auf der Erde – vor allem solche, die erdnahe Asteroiden im Auge behalten, die der Erde gefährlich werden könnten. Allerdings spricht sich die NASA nicht gegen eine zweite Starlink-Generation aus, sondern ruft SpaceX lediglich auf, diese Risiken zu beachten und sich eng mit ihr darüber abzustimmen.
Vergangenen Dezember beschwerte sich schon China über SpaceX. Gegenüber den Vereinten Nationen hieß es, die chinesische Raumstation habe 2021 zweimal vor Starlink-Satelliten ausweichen müssen. Normalerweise operieren diese oberhalb der Raumstation. Eine der Satelliten aber war auf dem Weg in eine niedrigere Erdumlaufbahn, um sich an seinem Missionsende automatisch in der Atmosphäre zu entsorgen. Der andere war nach dem Start auf dem Weg nach oben in seine operationelle Umlaufbahn. Chinas Beschwerde ist freilich relativ zu betrachten: 2007 zerstörte die Volksrepublik einen ausgedienten Wettersatelliten mit einer Rakete, wobei 40.000 Trümmer entstanden. Erst vor wenigen Monaten musste die Internationale Raumstation ISS einem der Schrottstücke ausweichen.