Bild: Lei Xing bei der Pariser Automesse 2016 (Foto: privat)
Ein allem Anschein nach unberechtigter Protest auf einer Auto-Messe Mitte April hat Tesla eine Welle negativer Berichterstattung in China eingebracht – und im Westen Befürchtungen, seine Zukunft auf dem riesigen Wachstumsmarkt könnte gefährdet sein. Nach Einschätzung des Experten Lei Xing ist diese Aufregung aber übertrieben: Der gesamte Sektor der intelligenten Elektroautos sei noch nicht fertig reguliert, und Tesla müsse wie andere Anbieter dafür sorgen, alles einzuhalten, was an Vorschriften kommt. Speziell Tesla brauche allerdings eine verbesserte Vorgehensweise bei Öffentlichkeitsarbeit und Kunden-Beschwerden, erklärte der frühere Chefredakteur der Zeitschrift China Auto Review in einem über Twitter geführten Interview mit teslamag.de, das wir hier leicht bearbeitet wiedergeben.
„Messe-Protest gegen Tesla war Auslöser“
Mitte April hat eine Frau wegen angeblichen Bremsversagens bei ihrem Model 3 auf einer Messe in Shanghai protestiert, und anschließend erschienen viele negative Berichte in der chinesischen Presse. Was ist da passiert?
Xing: Es gab schon lange vor diesem Protest viele Fälle von „Qualitätsproblemen“. Anfang dieses Jahres wurde Tesla wegen solcher Themen von fünf staatlichen Organen ermahnt und musste einen großen Rückruf verkünden. Nach dem Messe-Protest wurde also verstärkt über Probleme berichtet, aber es gab sie schon seit Monaten oder sogar Jahren immer wieder.
Im Westen wurde spekuliert, der chinesische Staat könnte seine Finger auch bei den Medien-Berichten im Spiel gehabt haben, weil er verhindern will, dass Tesla in China zu stark wird. Was halten Sie davon?
Xing: Ich glaube eher, hier hat sich etwas aufgestaut, und der Protest auf der Messe war dann der Auslöser, der das Thema auf die nationale und globale Bühne gebracht hat. Ich kann nicht sagen, dass staatliche Medien nicht involviert sind. Mit Sicherheit sind sie darauf aufmerksam geworden.
Ich persönlich würde die Authentizität mancher Videos im Internet in Frage stellen – sie sollen Fehler zeigen, aber es könnte auch falsche Bedienung dahinterstecken. Das grundlegende Problem sind aber weniger solche Qualitätsfragen: Auch die Art, wie Tesla versucht hat, sich der Verantwortung zu entziehen, und mit Beschwerden umgegangen ist, hat manche Kunden verärgert.
„Sehe keinen Druck auf Tesla“
Insgesamt sieht es so aus, als würde Tesla in China unter Druck geraten – nicht nur über Medien, sondern auch durch die behördlichen Eingriffe, die Sie erwähnt haben, oder die Forderung, dass Elektroauto-Daten nur noch im Land zu speichern sind. Wie sollte das Unternehmen darauf reagieren?
Xing: Ich würde nicht von Druck sprechen. Ich denke, es geht einfach darum, die lokalen Regeln einzuhalten, und um die Frage, wie Tesla mit Beschwerden umgeht und darauf antwortet. Das ist zum Teil weniger ein Tesla-Problem als ein Problem für intelligente Elektroautos allgemein.
Diese Autos sind sozusagen zu intelligent und zu schnell?
Xing: Ja, die Technologie hat sich schneller weiterentwickelt als die Regulierung. Transparenz, Besitz und Verantwortung bei Daten sind noch nicht definiert.
Also glauben Sie, das Tesla gut damit zurechtkommen wird? Wie sehen Sie seine Entwicklung in China im Rest dieses Jahres und darüber hinaus?
Xing: Ich glaube, dass Tesla bei weitem führend bleiben kann, wenn es gelingt, den richtigen Umgang mit Negativität zu finden und andere Taktiken für PR und Reaktionen auf Kunden zu entwickeln; gleichzeitig muss Tesla alles erfüllen, was es an staatlichen Vorgaben (zum Beispiel zur Handhabung von Daten) gibt oder geben wird. Auf Dauer werden sie allerdings ohne Zweifel mehr Konkurrenz bekommen, und es wird nicht nur einen Gewinner geben.
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Lei Xing war früher Chefredakteur der von seinem Vater gegründeten Zeitschrift China Auto Review mit Sitz in Peking. Inzwischen lebt er in den USA und beobachtet seit mehr als 20 Jahren die chinesische Auto-Industrie. Auf Twitter ist er unter @leixing77 aktiv. Bei teslamag.de ist im April eine dreiteilige Serie von Xing mit Berichten von der Messe Auto Shanghai erschienen.