Bild: Tesla (Archiv)
Die Wette hätte Tesla-CEO Elon Musk verloren – wenn er sie denn angenommen hätte: Vor ziemlich genau einem Jahr wollte Georg Hotz, Gründer der Software-Firma comma.ai, ein Tesla Model 3 kaufen und 10.000 Dollar darauf setzen, dass es ihn in diesem Januar noch nicht ohne Interventionen autonom durch die Gegend fahren kann. Musk ging nicht darauf ein, aber Hotz erinnerte jetzt an das Angebot von Anfang 2021. Der Tesla-Chef selbst hatte unterdessen kurz vorher seine Autonomie-Prognose um ein weiteres Jahr in die Zukunft verschoben.
Tesla-Chef mit immer neuen Prognosen
In wechselnden Formulierungen hat Musk schon seit mindestens Dezember 2015 die nahende Realisierung von autonomen Fahren in Aussicht gestellt, wie einer Zusammenstellung eines in dieser Hinsicht unzufriedenen Kunden zu entnehmen ist. Damals sprach der Tesla-CEO in einem Interview von kompletter Autonomie in etwa zwei Jahren. Ebenfalls schon früh begannen die subtilen Verschiebungen: Im Juni 2016 sollten es „weniger als zwei Jahre“ sein, und im März 2017 sollte man wieder in etwa zwei Jahren am Tesla-Steuer schlafen und am Ziel aufwachen können.
Doch 2019 kam und ging ebenso wie 2020, ohne dass das Autopilot-System von Tesla diesem Ziel entscheidend näher kam. Im Herbst 2020 begann ein Beta-Test mit einer grundlegend neu programmierten Version davon namens FSD, die neue Hoffnung auf schnelle Fortschritte weckte – zusammen mit neuen Aussagen von Musk in dieser Richtung, der im Dezember erklärte, er sei extrem zuversichtlich, dass Tesla-Kunden 2021 technisch volle Autonomie bekommen. Doch auch 2021 ist inzwischen vergangen, nachdem es unter anderem den überraschenden Verzicht von Tesla auf Radar brachte. Und noch kurz vor Ende des Jahres gab Musk eine neue zeitliche Prognose für autonomes Fahren ab.
Enthalten ist sie in einem weiteren langen Interview, das der Tesla-Chef dem MIT-Forscher Lex Fridman für dessen YouTube-Podcast gab. „Wie schwierig ist Ihrer Meinung nach das FSD-Problem, wann werden Sie selbstständiges Fahren auf Level 4 gelöst haben?“, wurde Musk darin direkt gefragt. „Es sieht ziemlich wahrscheinlich so aus, dass das nächstes Jahr sein wird“, lautete seine Antwort. Level 4 bezeichnet noch nicht das nach früheren Aussagen von Musk ebenfalls mögliche Ziel des autonomen Fahrens unter allen Bedingungen, unter denen auch Menschen zurechtkämen (also Level 5), sondern beschränkt sich auf bestimmte freigegebene Gebiete.
Seine neue Vorhersage begründete der Tesla-Chef mit den Fortschritten beim aktuellen Beta-Test der FSD-Software, die inzwischen bei Version 10.8 angekommen ist. Gegenüber früheren Versionen habe die Quote der Fahrer-Eingriffe damit dramatisch abgenommen, sagte Musk. Wenn man diesen Trend fortschreibe, werde voraussichtlich 2022 die Unfall-Wahrscheinlichkeit mit der Software unter der eines durchschnittlichen menschlichen Fahrers liegen. Es sehe stark danach aus, dass das in dem Jahr zu schaffen sei. Bevor Tesla sich um eine regulatorische Zulassung für mehr als ein Assistenz-System bemühe, soll laut Musk eine zwei- bis dreimal höhere Autopilot-Sicherheit als mit Mensch am Steuer erreicht sein.
Autopilot-System erneut grundlegend neu
Vorher steht allerdings erneut eine grundlegende Umprogrammierung des Systems an. Die jüngste hatte es mit dem Start des Beta-Tests im vergangenen Oktober gegeben – und wie zu deren Vorgänger sagte Musk jetzt auch über die aktuellen FSD-Versionen, diese seien bei einem lokalen Maximum angelangt. Dieses Mal werde die Autopilot-Software so umgestellt, dass die neuronalen Netze darin einen viele größeren Teil der Arbeit selbst erledigen, erklärte der Tesla-Chef. Mehrmals betonter er, wie bedeutend diese Umstellung ist – was sich nicht nach einem schnellen Abschluss anhört. Zudem ließ Musk wissen, dass für echte Autonomie mindestens ein zusätzlicher Sensor gebraucht wird: „Wir werden auch Audio berücksichtigen müssen“, sagte er.