Bild: Produktion von Mercedes-Elektroauto EQC (Foto: Daimler)
Wollte Elon Musk nur höflich sein oder hatte er gerade einen Strategiewechsel signalisiert? Diese Frage stellten sich Beobachter, nachdem der CEO bei der Entgegennahme eines Preises diese Woche in Berlin gesagt hatte, wenn ein traditioneller Autohersteller von Tesla übernommen werden wolle, „würden wir bestimmt darüber sprechen“. Damit hatte er eine solche Transaktion zumindest nicht ausgeschlossen. Ein Finanzdienst hat sich vor diesem Hintergrund mit der Frage beschäftigt, welcher konventionelle Konkurrent für Tesla interessant wäre – und schlägt als Ziel den deutschen Daimler-Konzern vor.
Schwache Elektroauto-Strategie gesucht
Unter der Rubrik Breakingviews bietet die Agentur Reuters seit einigen Jahren einen Dienst an, in dem sie über das klassische Nachrichten-Geschäft hinaus Meinungsbeiträge und Analysen zu Börsenthemen veröffentlicht – ähnlich wie Banken, aber unabhängig und pointiert. „Daimler könnte das Time Warner für Elon Musk sein“, ist dort ein Beitrag von diesem Donnerstag überschrieben: So wie einst der Online-Dienst AOL mit dem viel größeren Konkurrenten Time Warner könne Tesla seine hoch bewertete Aktie nutzen, um mit einem etablierten Anbieter zusammenzugehen, wird darin erklärt.
Und als am besten geeigneten Partner in dieser Hinsicht macht der Finanzdienst den deutschen Autokonzern Daimler mit seiner Pkw-Marke Mercedes-Benz aus: Zu den ambitionierten Tesla-Kunden passe nur eine Luxusmarke, weshalb Ford und General Motors schon einmal ausscheiden würden. Zudem könne Tesla-CEO Musk mit einer Fusion am meisten neuen Wert schaffen, indem er einen Hersteller mit „niedriger Spannung bei seiner Elektroauto-Strategie“ übernehme.
Dabei kommt unter den deutschen natürlich als erstes BMW mit seinem langen Festhalten an Mischplattformen (für Elektroautos, Hybride und reine Verbrenner) in den Sinn – aber laut Breakingviews würde der Familienbesitz eine Übernahme wohl unmöglich machen. Volkswagen wiederum setze bereits selbst auf Elektroautos, große japanische Unternehmen seien allgemein notorisch schwierig zu kaufen, und ein Supercar-Hersteller wie Lamborghini, den VW wohl abgeben wolle, sei zu sehr Nischenanbieter.
Tesla könnte Daimler leicht schlucken
Damit bleibe als mögliches Tesla-Ziel Daimler, aktuell mit einer Bewertung von 73 Milliarden Dollar und der Hersteller mit den meisten Luxus-Verkäufen weltweit, dessen Aktie sich in den vergangenen fünf Jahren unterdurchschnittlich entwickelt habe. Mit einer Übernahme würde Tesla zwar sein reines Elektroauto-Image verwässern und bekäme es mit deutschen Governance-Strukturen zu tun, schreibt Breakingviews. Doch mit Daimler sei eine Vervierfachung der weltweiten Tesla-Produktion möglich, und auch die gute Position des Konzerns in Europa und China würde Musks Elektro-Offensive stärken.
Eine Zeitlang war Daimler sogar umgekehrt an Tesla beteiligt, verkaufte seine Aktien dann aber zwar mit hohem Gewinn, aber viele Milliarden unter dem inzwischen erreichten Wert. Die Kapitalisierung ist mit aktuell gut 560 Milliarden Dollar sogar so viel höher als die von Daimler, dass Tesla eine Übernahme ohne Zustimmung seiner Aktionäre angehen könnte – bis zu mindestens 100 Milliarden Dollar Kaufpreis wäre das laut Breakingviews möglich. Musk könne also (immer theoretisch) einen Aufschlag von satten 40 Prozent pro Daimler-Aktie bieten, ohne auch nur um Erlaubnis zu fragen.