Bild: TOP-laputa
„Die gegenwärtigen Autopilot-Funktionen verlangen aktive Überwachung durch den Fahrer“, heißt es recht eindeutig auf der deutschen Website von Tesla – aber die weit reichenden Fähigkeiten des Systems verführen manche trotzdem dazu, sich im Übermaß darauf zu verlassen. In China wurde jetzt ein Video veröffentlicht, das zeigt, was in solchen Fällen passieren kann. Und ein bekannter Tesla-Beobachter führte daraufhin vor, dass man in bestimmten Situationen wirklich sehr gut auf den modernen Fahrassistenten aufpassen sollte.
Tesla kommt in Kurve von Straße ab
„Im Prozess des unbemannten Fahrens einer bestimmten Elektroautomarke“, lautet nach der Google-Übersetzung der Text zu dem Video, das ein Nutzer namens Top-Laputa am Wochenende in dem chinesischen Sozialmedium Weibo veröffentlichte. Zu sehen ist darin, wohl von der Beifahrerin gefilmt, wie ein Tesla eine schmale Allee entlangfährt. Die Hände des Fahrers ruhen entspannt im Schoß, und das blau hinterlegte Lenkrad-Symbol auf dem Bildschirm lässt erkennen, dass er die Selbstlenk-Funktion Autosteer aktiviert hat.
Nach einigen Sekunden ruhiger Fahrt mit unter 30 Stundenkilometern aber beginnt eine Rechtskurve, und plötzlich kommt Bewegung in die Szene. Erst gerät der Tesla weit an den linken Straßenrand, dann piept er – und dann kracht es auch schon. Das Elektroauto rumpelt über den Bordstein und rammt mittig einen dünnen Baum. Ab da filmt die Kamera nicht mehr nach vorn, sondern nach oben gerichtet den Innenraum, und sie zeigt offenbar, wie die Beifahrerin mit beiden Händen ihren Kopf hält. Mehrmals ist leises Stöhnen zu hören, aber dann scheinen beide Insassen aus eigener Kraft auszusteigen.
So in regards to the recent Chinese crash with video where AP exits roadway in sharp turns:
I long planned to do a demo of a similar condition but always forgot and I guess better late than never.
It's actually really easy to reproducehttps://t.co/B2Ip0G17Ur— green (@greentheonly) July 4, 2021
Schwere Verletzungen gab es also wohl nicht, aber der IT-Experte und Tesla-Beobachter @greentheonly nahm das China-Video zum Anlass, auf ein ähnlich kritisches Verhalten des Tesla-Systems auch in den USA hinzuweisen. Das habe er schon länger einmal tun wollen. Man brauche dazu nur eine („leere!“) Straße mit einer scharfen Kurve und einen Tesla, der unter Autopilot (bislang bestehend aus Autosteer und adaptivem Tempomat) fährt, erklärte er, und veröffentlichte mehrere Videos mit seinen Tests dazu.
Demnach neigt Autosteer dazu, vor und in engen Kurven die Geschwindigkeit nicht so weit zu reduzieren, wie es erforderlich wäre, um sie problemlos durchfahren zu können. Stattdessen überfährt der Tesla im ersten Video von @greentheonly die durchgezogene Doppellinie auf der Straße und nähert sich bedenklich ihrem linken Rand mit Bordstein. Kurz vorher zeigt das eingeblendete Display eine rote Lenkrad-Warnung mit dem Hinweis „sofort übernehmen“, und mehrere Warntöne sind zu hören. Weil der Tester darauf vorbereitet ist, reagiert er rechtzeitig, aber bei Gegenverkehr hätte die Übernahme-Aufforderung schon zu spät kommen können. Der Autopilot zeige sich aber nicht bei jedem seiner Versuche überfordert, berichtete @greentheonly noch – bei etwa jedem zweiten bremse er ausreichend ab und komme gut durch die Kurve.
Gut aufpassen bei Autopilot-Einsatz
Aus rechtlicher Sicht wäre in Fällen, in denen das nicht klappt, wohl nicht Tesla verantwortlich, sondern der Fahrer, der seinem Elektroauto zu viel zutraut. Daran könnte das Unternehmen allerdings durchaus einen Anteil haben, erinnerte @greentheonly. Zum Beispiel zeige es auf seiner Autopilot-Startseite im Web ein Video von einer zweiminütigen Fahrt, zu der es heißt, das Auto fahre selbst und die Person am Steuer sei nur aus rechtlichen Gründen dabei. Dass das in der Realität bislang nicht immer so gut funktioniert, muss nicht heißen, dass es nie möglich sein wird – aber bis dahin ist man offensichtlich wirklich gut beraten, trotz Autopilot-Unterstützung sehr aufmerksam zu bleiben.