Zum ersten Mal in seiner Karriere in diesem Bereich empfehle er direkt, ein Auto nicht zu kaufen, schrieb Tim Stevens von dem Tech-Portal Cnet an diesem Freitag auf Twitter – und wahrscheinlich ebenfalls zum ersten Mal wies er dann begleitend zu dem Artikel darauf hin, dass er in der Vergangenheit mehrfach positiv über Elektroautos von Tesla berichtet habe. Denn auf Twitter muss mit Ärger rechnen, wer Kritik über das Unternehmen oder seine Produkte äußert. Und das Auto, von dem Stevens nach seinem Langzeittest insgesamt deutlich abrät, ist das von vielen gefeierte Tesla Model Y.
Model Y macht viele Phantombremsungen
Er bitte darum, zunächst den gesamten Bericht zu lesen und dann vor Angriffen auf ihn seinen Twitter-Thread dazu, schlug der Journalist präventiv vor. Darin dokumentiert er einen sehr positiven Test des frühen Tesla Roadster sowie mehrere des Model S mit dem jüngsten Urteil „beeindruckend“ und erwähnt weitere Tests des Model 3. Als Auto sei das Model Y hervorragend, relativiert er außerdem – aber als Gesamtpaket gescheitert, trotz der zu erwartenden Updates per Funk. Das wolle er nur für den Fall gesagt haben, dass jemand ihn für das Abraten vom Model Y angreifen wolle, nahm Stevens das vorweg und wehrte es damit gleichzeitig ab.
Der Grund für sein Urteil steht schon im Vorspann seines Artikels über die ersten drei Monate mit einem zum Testen gekauften Tesla Model Y: Dessen Paket für aktive Sicherheit sei so grundlegend fehlerhaft, dass es das gesamte Ergebnis ruiniere. Das überrascht insofern, als Tesla auf der Grundlage der Sensoren für sein Autopilot-System früh auch Sicherheitsfunktionen realisierte und damit gute Bewertungen erzielte. Doch wie der US-Journalist von seinem Model Y berichtet, erkannte das System viel zu häufig Hindernisse, wo keine waren. Das Problem ist auch in Europa als „Phantombremsung“ bei Tesla bekannt, schien bei Stevens aber viel massiver aufzutreten.
For the first time in my automotive career I'm outright recommending you do not buy a car. Our Model Y is flawed. For the why, I encourage you to read the full review. Then, before you attack me for being anti-Tesla, I encourage you to read this thread. https://t.co/bMwFpaY32R
— Tim Stevens (@Tim_Stevens) November 26, 2021
Dafür, so spekuliert er, könnte es eine Erklärung geben: Sein Model Y sei kurz nach der Entscheidung produziert worden, bei diesem Elektroauto und dem Model 3 den Radar-Sensor an der Front wegzulassen. Ob es wirklich daran liege, könne er nicht sagen, aber festhalten, dass das Model Y der Redaktion schlecht im Erkennen von Hindernissen auf dem Weg sei – „wirklich, wirklich schlecht“. Das Problem seien die falschen Positiven. Häufig sei der Tesla verwirrt, wähne ein Hindernis im Weg und leite eine Notbremsung ein, sofort, unerwünscht und oft stark.
Solches Bremsen für Phantome komme mindestens einmal pro Stunde vor und manchmal viel häufiger, berichtet Stevens weiter. Es passiere auf Autobahnen wie Nebenstraßen und auch, wenn nur der adaptive Tempomat aktiviert ist. Das Problem kenne er auch von anderen Autos mit solchen Not-Assistenten, aber dort sei es ausgesprochen selten. Für den Tester bedeutet das, dass der Tempomat des Model Y offensichtlich unsicher sei und somit das Autopilot-System sowie das ganze Auto. Ansonsten lobte er uneingeschränkt Antrieb, Reichweite und Tesla-Ladenetz, störte sich aber auch an manchen Detail-Lösungen und Wasser im Frunk nach der Waschanlage.
Mehr Klagen über Tesla-Autopilot in USA
Ganz ohne Twitter-Anwürfe kam Stevens natürlich trotz seiner Erklärungen vorab nicht davon, aber grundsätzlich wurde das Problem der Phantombremsungen mehrfach bestätigt. In Europa schien es zuletzt weniger Thema zu sein. Das könnte an einem Gewöhnungseffekt liegen oder daran, dass es durch Software-Verbesserungen seltener wurde. Aus den USA meldete der Blog Electrek allerdings Mitte November, zuletzt würden Besitzer vermehrt darüber klagen, zum Teil auch gegenüber der Verkehrsbehörde NHTSA. Wie Stevens sieht er einen möglichen Zusammenhang mit dem Tesla-Verzicht auf Radar. Mit einer vor kurzem verbreiteten neuen Software-Version (2021.40) soll das Phantom-Phänomen beim eigenen Model 3 des Electrek-Autors drastisch häufiger geworden sein.