Vergangene Woche veröffentlichte der amerikanische Auto-Blog Jalopnik einen Artikel, der seither auch in Deutschland Wellen schlägt. Demnach hat Tesla im Dezember 2019 bei einem Software-Update die Funktionen Erweiterter Autopilot (EAP) und Fähigkeit zum autonomen Fahren (FSD) bei einem längst verkauften Model S deinstalliert. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich die Story als weniger eindeutig – wirft aber neue Fragen zum Hersteller-Zugriff auf private Fahrzeuge auf.
Zusammengefasst lautet die Darstellung auf Jalopnik so: Ein Gebrauchtwagenhändler ersteigert bei einer Tesla-Auktion im November 2019 ein Model S 75D aus dem Jahr 2017. Die Konfigurationsliste, lesbar in einer der Scheiben des Fahrzeugs angebracht, führt die ursprüngliche Ausstattung auf, darunter EAP für zum Kaufzeitpunkt 5000 US-Dollar und FSD für 3000 US-Dollar. Am 20. Dezember kauft ein Mann namens Alec den Gebrauchtwagen von dem Händler. Mit dem nächsten Software-Update entfernt Tesla die beiden Funktionen. Mitte Januar erhält Alec eine Auflistung der Arbeiten, die Tesla vor dem Kauf durchgeführt hatte. Darauf ist auch die Entfernung von FSD gelistet mit dem Vermerk, Alec habe die Funktion nie gekauft, sie sei aufgrund eines Fehlers aktiviert gewesen. In einer Email bestätigt Tesla den Vermerk: „Wir haben auf Ihre Kaufhistorie geschaut und leider war Full-Self-Driving nicht unter den Funktionen, für die Sie bezahlt haben.”
Diese Darstellung verbreitete sich rasch durch die Internet-Automobilszene. Doch das Geschehen war wohl etwas anders, als der Blog zunächst berichtete. Denn wie der Händler ihm nach der Veröffentlichung mitteilte, hatte Tesla das Update — und damit die Deinstallation der beiden Funktionen — schon vor dem Verkauf des Model S an Alec vorgenommen. Der Händler erzählte dem potentiellen Käufer aber, es müsse sich dabei um einen Fehler handeln, den Tesla bald korrigieren werde — immerhin habe die ursprüngliche Konfigurationsliste die Funktionen enthalten. Also kaufte Alec das Elektroauto in dem Wissen, dass EAP und FSD nicht aktiviert waren, wenn auch in der Annahme, dass sich das ändern würde.
Eine rechtliche Bewertung, ob Tesla zum Beispiel die (falsche) ursprüngliche Ausstattungsliste der Auktion gelten lassen müsste, ist schwierig. Der Fall macht aber deutlich, dass der Fernzugriff auf Fahrzeuge und auch andere vernetzte Produkte schwerwiegende Fragen aufwirft: Sollen Fahrzeughersteller nach Belieben auf die Software eines Wagens zugreifen können? Von Zwangsupdates mit neuer Software berichten Tesla-Besitzer bereits gelegentlich. Wenn diese aus Sicherheitsgründen nötig sind, welche Zugriffsrechte sollte Tesla dann erhalten?
Zumindest bisher scheinen dem Hersteller dabei wenige Grenzen gesetzt. Updates ohne das Wissen oder sogar gegen den expliziten Wunsch der Nutzer wurden auch bei Microsoft Windows 10 oder bei den iPhones von Apple gemeldet — Anzeichen dafür, dass die Vernetzung von Gebrauchsgegenständen wohl eine Neudefinition des Begriffs „privater Besitz” verlangt.
Aktualisierung: Offenbar hat sich Tesla dem beginnenden Sturm der Entrüstung im konkreten Fall gebeugt. Wie der betroffene Käufer im Forum Tesla Motors Club mitteilte, hat er einen Anruf von einer Tesla-Kundenbetreuerin erhalten, die eine Wiederherstellung der verschwundenen Funktionen zusagte. Zwei Tage später überprüfte er dies und meldete „Alles ist jetzt zurück“.