In der Community hält sich hartnäckig das Gerücht, das Autopilot-System in den Elektroautos von Tesla könne nur deshalb noch keine Schilder mit Geschwindigkeitsbeschränkungen erkennen, weil dies durch ein Patent des früheren Partners Mobileye verhindert wird. Weil CEO Elon Musk zuvor die technische Fertigstellung aller Teilfunktionen für autonomes Tesla-Fahren bis Ende 2019 in Aussicht gestellt hatte, gingen manche davon aus, dass das Patent zu diesem Termin enden würde. Tatsächlich kündigte Musk jetzt auf Twitter an, die Tempolimit-Lücke „bald“ zu schließen. Aber ein bekannter Tesla-Podcast verwies darauf, dass die lange Verzögerung laut Teslas KI-Chef eher in der technisch schwierigen Umsetzung begründet liegt.
Tesla liefert Funktionen nach und nach
Ab Herbst 2015 bot Tesla für Model S und Model X die schon damals Autopilot genannte Funktion an, realisiert zusammen mit dem israelischen Unternehmen Mobileye, das inzwischen zu Intel gehört. Dieses AP1 genannte System beherrschte zunächst auch Tempolimit-Erkennung. Ein Jahr später endete die Partnerschaft und Tesla stattete seine ab dann gebauten Elektroautos mit mehr Kameras, Sensoren und anderer Rechen-Hardware aus, die zusammen für späteres autonomes Fahren ausreichen sollten – nur noch die Software müsse weiterentwickelt werden.
Daran arbeitet Tesla seit dieser Zeit und hat mittlerweile noch einmal auch den zentralen Autopilot-Computer ausgetauscht. Seit Frühjahr 2019 wird ein selbst entwickelter Chip speziell für FSD verbaut, also für Full Self-Driving (autonomes Fahren); wer noch die ältere Hardware hat und FSD als Option bestellt, soll kostenlos die Nachrüstung bekommen.
Den Rest aber soll jetzt wirklich die Autopilot-Software in Form eines lernenden neuronalen Netzes machen. Tatsächlich hat Tesla nach der Trennung von Mobileye nach und nach neue Funktionen eingeführt, die den Umfang auf den früheren Stand und teils darüber hinaus brachten. So können Teslas in den USA seit kurzem Ampel-Signale und Stopp-Schilder erkennen und darauf reagieren. Für den Rest der Welt soll das laut CEO Musk möglichst im dritten Quartal dieses Jahres folgen. In diesem Zusammenhang erwähnte er, dass die Umsetzung durch die vielen Variationen in jedem Land erschwert werde.
Teslas KI-Chef erklärt Komplexität
Über die Herausforderungen allein bei der neuen Stopp-Funktion allein für die USA hatte in diesem Februar sehr konkret Andrej Karpathy berichtet, bei Tesla verantwortlich für künstliche Intelligenz. Schon hier gebe es massenhaft verschiedene Varianten und Zusatzhinweise auf Schildern, deren Erkennung das System erst vorab trainieren und dann anhand von realen Fahrdaten verbessern müsse, sagte der KI-Chef. Wohl aus diesem Grund ist der Autopilot in den USA in dieser Hinsicht noch sehr vorsichtig ausgelegt: Bei jeder erkannten Ampel (also auch bei grünem Signal) und jedem Stopp-Schild hält er bislang an, wenn der Fahrer nicht gegensteuert.
Ähnlich mit Details in den USA und dann im Rest der Welt zu kämpfen hat Tesla bei der Erkennung von Tempo-Limits. Schon der direkte Vergleich mit Deutschland zeigt, dass die Bandbreite hier noch größer sein dürfte als bei Ampeln und Stopp-Schildern: In den USA stehen sie (meistens) auf rechteckigen Schildern mit dem Hinweis Speed Limit, der Vorgabe in Form einer Zahl und manchmal MPH (Meilen pro Stunde) darunter. In Deutschland gelten die bekannten runden Schilder mit rotem Rand und ansonsten nur einer Zahl – aber in beiden Ländern kann eine Vielzahl von Zusätzen auf weiteren Schildern in verschiedenen Formen alle möglichen abweichenden und ergänzenden Vorgaben machen.
the reason it hasn’t shipped is because it takes time to engineer these features to work well
when they broke up with mobileye they had to recreate everything
patents are not going to hold this up even detecting cones is patented pic.twitter.com/EGRshey8EX
— Third Row Tesla Podcast (@thirdrowtesla) May 8, 2020
„Tempolimits sind eine absolute Katastrophe“, sagte Karpathy dazu schon im Sommer 2018 bei einer KI-Konferenz, wie der Podcast Third Row Tesla jetzt in Erinnerung rief. Damals zeigte Teslas KI-Oberhirn eine Auswahl von US-Schildern voller Extra-Hinweise – dabei habe er gedacht, es gehe nur um eine einfache Zahl, kommentierte Karpathy belustigt. Wie ein neuronales Netz damit umzugehen habe, sei aber alles andere als offensichtlich.
Wie es aussieht, braucht Tesla für das Schließen der nächsten großen Lücke auf dem Weg zum autonomem Fahren also noch etwas Zeit – was auch immer das aktuelle „bald“ des CEO konkret bedeuten mag. Aber die wird offenbar nicht genutzt, um das Auslaufen einer Patent-Frist abzuwarten, sondern um das Autopilot-System weiter zu trainieren und lernen zu lassen. Nach Angaben des Tesla-Chefs von Mitte April sollen alle nötigen Funktionen für weitgehend autonome Fahrten von Start bis Ziel, also einschließlich Tempolimit-Erkennung, jetzt bis Ende dieses Jahres entwickelt sein.