Mit fast noch mehr Spannung als sonst wurde die neue Version V9 der Beta-Software für das Autopilot-System von Tesla erwartet, die vor knapp zwei Wochen nach mehreren Verschiebungen die ersten privaten Tester erreichte. Die Erwartungen dürften zum einen dadurch angeheizt worden sein, dass CEO Elon Musk V9 der als FSD-Beta bezeichneten Software schon in diesem Frühjahr als fast fertig bezeichnete und dann immer weiter verschob. Aber er kündigte dabei zum Beispiel auch an, dass die erste Version ohne Auswertung von Radar-Daten „umwerfend“ gut sein werde. Jetzt ist sie da – und weckt vor allem Hoffnungen darauf, dass bald weitere Verbesserungen kommen.
Tesla-Tester sollen Rückschritt sehen
Das jedenfalls ist der Eindruck von @marc_benton, einem langjährigen und mehrfachen Tesla-Besitzer aus Kalifornien. Nach seinen Angaben hat er mit vier Teilnehmern des aktuellen Beta-Test mit FSD V9 gesprochen, und die hätten die neue Version sämtlich als „Rückschritt“ bezeichnet, schrieb er auf Twitter. Das entspricht nicht unbedingt den Äußerungen von Testern selbst in ihren FSD-Videos und ihren Twitter-Kommentaren dazu. Allerdings schien tatsächlich noch keine längere Fahrt darunter zu sein, die ganz ohne Interventionen auskam. Ohne menschliches Eingreifen wurden automatisch fahrende Teslas zum Verkehrshindernis und steuerten mehr als einmal auf Hindernisse zu.
Und so ist @marc_benton nicht der Einzige, der den erwarteten und teils behaupteten Fortschritt mit FSD V9 in Frage stellt. Manchmal geschieht das nur indirekt: @WholeMarsBlog etwa, der im Allgemeinen zu den entschlossensten Tesla-Verteidigern auf Twitter gehört und selbst an dem Beta-Test teilnimmt, erklärte, die aktuelle Version sei ja erst der Anfang. In einem Jahr werde Teslas Autopilot so gut sein, dass alle Systeme von heute wie ein Scherz aussehen würden, schrieb er – was die aktuelle laut Musk schon umwerfende FSD-Software mit einschließt. In einer Reihe von Beiträgen an diesem Dienstag lobte @WholeMarsBlog außerdem, wie gut sich Mensch und Computer beim Autopilot-Fahren ergänzen. Aber das ist nicht, was Tesla sich vorgenommen hat.
I’ve now heard from 4 people with FSDBeta that V9 has taken pretty large steps backwards. It’s almost as if it’s started over, which makes sense since they removed radar info.
I’d be shocked if we saw a “button” before the end of 2021.
— Marc Benton (@marc_benton) July 19, 2021
Weitgehend unbestritten ist, dass FSD V9 flüssiger fährt als die vorige Version 8.2. Das könnte damit zusammenhängen, dass Tesla jetzt keine Radar-Daten mehr auswertet, die manchmal schwierig zu interpretieren sind. Ebenfalls viel Lob bekam die neue Visualisierung im FSD-Modus (s. Bildschirm-Foto oben). Statt gepunkteter Orientierungslinien um den eigenen Tesla zeigt sie jetzt durchgezogene an, die umso schwächer werden, je weniger sicher sich das System ist. Laut Musk ist dadurch das „Denken des Autos“ zu erkennen.
In direkten Antworten auf die fast ketzerische Rückschritt-Behauptung von @marcbenton kam von Teilnehmern des Beta-Tests überwiegend Ablehnung, aber auch mindestens einmal Zustimmung. Ein Beobachter sah hier einen Zusammenhang mit der Region: Tester aus Kalifornien würden kaum Probleme melden, solche aus anderen US-Bundesstaaten dagegen viel mehr. Offensichtlich aber ist das Tesla-System bislang jedenfalls nicht annähernd so gut, dass es alle Situationen meistern und alle Zweifel zerstreuen würde.
Beta-Ausweitung laut Musk später
Das kommt insofern nicht überraschend, als die neue FSD-Software noch deutlich als Beta-Version bezeichnet wird. Vor der Veröffentlichung heizte CEO Musk nicht nur die Erwartungen an, sondern wies auch darauf hin und bat darum, bei der Nutzung geradezu „paranoid“ zu sein. Auf der anderen Seite spricht er schon seit Jahren davon, Tesla habe die Aufgabe des autonomen Fahrens nahezu gelöst.
Die Ausweitung des Beta-Tests scheint jedenfalls erst einmal eine Weile verschoben: Ursprünglich sollten zusammen mit V9 alle Tesla-Besitzer in den USA die Möglichkeit bekommen, die neue Software auf ihr Auto zu laden. Davon war zuletzt keine Rede mehr. Auf Twitter-Nachfrage sagte Musk vergangene Woche, die Ausweitung werde „vielleicht“ mit Version 10 kommen und „definitiv“ mit V11. Nach dem jüngsten Update-Rhythmus zu urteilen, ist damit aber nicht mehr in diesem Jahr zu rechnen.