Eine der vielen Fragen, die durch die Übernahme von Twitter durch Elon Musk aufgeworfen wurden, betraf Zeit-Management: Der Multi-Unternehmer leitet schließlich hauptsächlich Tesla und SpaceX und war schon vorher bekannt für seine langen Tage. Zu diesem Punkt äußerte sich Musk am Freitag in einem Interview: Statt 70-80 Stunden pro Woche arbeite er jetzt wahrscheinlich 120 Stunden, sagte er. Trotzdem hat der Tesla- und neuerdings Twitter-Chef aktuell mit dem Problem zu kämpfen, dass dem Dienst die Anzeigen-Kunden davonlaufen. Musk selbst sieht dahinter eine Kampagne von Aktivisten.
Twitter verliert unter Musk Werbekunden
Die für Freitag angekündigten Entlassungen bei Twitter haben nach Meldungen Betroffener begonnen. Anders als befürchtet sollen sie jedoch offenbar noch drei Monate weiterbezahlt werden, womit sich eine bereits eingereichte Sammelklage erledigt haben dürfte. Für Musk aber, der nach monatelanger Gegenwehr die vereinbarte Twitter-Übernahme für 44 Milliarden Dollar Ende Oktober doch noch vollzog, wird sie dadurch noch teurer. Am Freitag bezifferte er den Verlust des Unternehmens auf 4 Millionen Dollar pro Tag.
Zuvor wurde von 3 Millionen Dollar pro Tag berichtet, also scheint sich die finanzielle Situation von Twitter im Besitz des Tesla-Chefs rasch verschlechtert zu haben. Dazu passt, dass offenbar immer mehr Anzeigen-Kunden dem Dienst zumindest vorübergehend den Rücken zukehren. Von General Motors wurde das schon kurz nach Abschluss des Kaufs bekannt. Bis Freitag kamen laut der Nachrichten-Agentur Reuters unter anderem der Volkswagen-Konzern mit seinen vielen Marken hinzu und außerdem Agenturen, die ihren Kunden rieten, sich ebenfalls von Twitter fernzuhalten.
Twitter has had a massive drop in revenue, due to activist groups pressuring advertisers, even though nothing has changed with content moderation and we did everything we could to appease the activists.
Extremely messed up! They’re trying to destroy free speech in America.
— Elon Musk (@elonmusk) November 4, 2022
Musks Versicherung, vorerst keine gesperrten Personen wieder zuzulassen und auch noch nichts an den Moderationsregeln geändert zu haben, scheint also die Skepsis der Werbebranche nicht beseitigt zu haben. Der neue Twitter-Eigentümer schrieb sie aber nicht seinem schweren Schnitzer mit einem Link zu offensichtlich falschen Informationen über den Ehemann einer wichtigen Politikerin kurz nach dem Vollzug der Übernahme zu, sondern einer Kampagne: Aktivisten-Gruppen hätten Druck auf Anzeigen-Kunden ausgeübt, sich zurückzuziehen, schrieb er auf seiner eigenen Plattform.
Tesla-Chef droht gehenden Twitter-Kunden
Die nicht näher bezeichneten Aktivisten seien durch nichts davon abzuhalten gewesen, schrieb der Tesla- und Twitter-Chef weiter – laut einem Bericht von NY Mag gab es am Montag einen 45-minütigen Zoom-Konferenz zwischen ihm und mehreren Gruppen. Nachdem dort offensichtlich keine großen Fortschritte erzielt wurden, kam Musk am Freitag zu dem öffentlichen Urteil, Aktivisten würden versuchen, die Meinungsfreiheit in Amerika zu zerstören.
Thank you.
A thermonuclear name & shame is exactly what will happen if this continues.
— Elon Musk (@elonmusk) November 4, 2022
Dazu gab es auch andere Meinungen, aber Musk ließ sich davon dem Anschein nach nicht beirren. Im Gegenteil stieß er sogar eine Drohung gegen Werbekunden aus: Mit einem Dank griff er eine Twitter-Nachricht auf, in der ihm nahegelegt wurde, die Namen der nicht mehr werbenden Kunden zu nennen, damit man sie boykottieren könne. Wenn sich „das“ (also wohl der Verzicht auf Anzeigen-Buchungen bei Twitter) fortsetze, werde es ein „thermonukleares name & shame“ geben, kündigte er an.
„Einfacher zu leiten als Tesla und SpaceX“
Ohnehin hatte Musk zuvor schon erklärt, allein mit Anzeigen-Finanzierung lasse sich der Kampf gegen Bots und Trolle auf Twitter nicht gewinnen. Offenbar schon am Montag soll deshalb ein neues Abo mit erweiterten Funktionen und Verifizierung eingeführt werden, das 8 Dollar pro Monat kosten könnte. Derzeit muss der Tesla-Chef auf Twitter also nicht nur viel einstecken, sondern hat auch gut mit dem Dienst zu tun. Die extreme Arbeitsbelastung von 120 Stunden soll nach seinen Angaben aber nicht lange anhalten: Wenn Twitter erst einmal auf dem richtigen Weg sei, sei es viel leichter zu leiten als Tesla oder SpaceX, sagte er am Freitag bei einer Anleger-Konferenz.