Aktive Anleger verlassen sich bei weitem nicht nur auf die Informationen, die ihnen von Unternehmen offiziell zur Verfügung gestellt werden. Viele würden gewiss gern Daten direkt von Insidern bekommen, aber das ist verboten, also wird sozusagen die zweitbeste Methode genutzt: das Sammeln von öffentlich verfügbaren Informationen und zunehmend auch Bildern, die Rückschlüsse auf den Geschäftsverlauf zulassen. Beispielsweise können Satelliten-Aufnahmen von Parkplätzen verraten, wie sich die Umsätze bei Walmart entwickeln. Aus dem Verkauf solcher Beobachtungen an Börsianer ist längst ein eigener Markt geworden. Und ein neuer Anbieter will jetzt vorab und für relativ geringe Gebühren regelmäßig Daten zur Produktion im bislang wichtigsten Elektroauto-Werk von Tesla liefern.
Erstes „T-Minus Event“ für Tesla
Mit dieser Nachricht ging das zuvor nicht in Erscheinung getretene Startup Moonvu vergangene Woche an die Öffentlichkeit, und am Donnerstag wollte es erstmals seine Prognose zur Tesla-Produktion im kalifornischen Werk Fremont im soeben abgelaufenen zweiten Quartal 2021 veröffentlichen. Das steht zumindest auf der Homepage. Sehen kann man die Tesla-Zahlen nicht einfach so, denn Moonvu verlangt 29 Dollar dafür. Außerdem weist das Unternehmen gleich beim Bestellen darauf hin, dass es nicht zulässig ist, die von ihm erhaltenen Informationen in irgendeiner Form weiterzugeben.
Wie Moonvu im Web erklärt, soll die Tesla-Beobachtung nur der Anfang sein. Die eigene Mission sei, öffentlich beobachtbare Daten in Echtzeit allen Anlegern zugänglich zu machen. Der Dienst werde von einer Gemeinschaft von Video-„Datenfarmern“ getragen und solle gleiche Chancen und mehr Möglichkeiten für Privatanleger bringen. Wie am Donnerstag für Tesla soll es später auch für andere Unternehmen „T-Minus Events“ geben, also die Veröffentlichung von geschätzten Zahlen für einen abgelaufenen Zeitraum vor den offiziellen der Unternehmen.
Die Gemeinschaft identifiziert für Aktionäre wichtige Standorte, Moonvu mietet dort Platz für Kameras und nimmt so das jeweilige Unternehmen unter Beobachtung, erklärt der Dienst die allgemeine Vorgehensweise. Konkret zum bislang einzigen Ziel Tesla heißt es, jeden Tag würden mehr als 3 Millionen Aufnahmen von dem Standort in Fremont gemacht, die mit maschinellem Sehen und Algorithmen für Bewegungserkennung analysiert werden. Die Ergebnisse gehen zur abschließenden Beurteilung an Menschen, die dann festhalten, wie viele Teslas welches Typs zu sehen waren.
Gigafactory in China fehlt
Die tatsächlichen Tesla-Zahlen zu Produktion und Auslieferungen im zweiten Quartal dürften noch in dieser Woche gemeldet werden. Wie nah an dieser Realität Moonvu lag, wird sich aber auch dann nicht sagen lassen, denn neben Fremont gibt es inzwischen die Gigafactory in China, die immer mehr zum weltweiten Tesla-Geschäft beiträgt. Für die neu entstehenden Fabriken in Deutschland und Texas existieren nach Angaben des Anbieters ebenfalls schon Beobachtungspläne, zu China schreibt er aber nichts.
Über einen bekannten Twitter-Nutzer und einen Tesla-Blog in Kanada hat Moonvu an den vergangenen Tagen versucht, Kunden für seinen bezahlten Transparenz-Dienst zu gewinnen. Sie wurden von teslamag.de kontaktiert, konnten oder wollten aber nicht sagen, welche Zahlen der Dienst für Q2 prognostiziert hat; einer war sich nicht einmal sicher, ob sie schon vorgelegt wurden. Allein aus Aktionärssicht dürften die Daten wegen der Beschränkung auf Fremont ohnehin von begrenztem Wert sein. Dagegen würde mancher Tesla-Fan bestimmt gern 29 Dollar nur für den Informationsvorsprung bezahlen – der in diesem Fall allerdings mit dem entscheidenden Nachteil einhergeht, dass man niemandem etwas darüber verraten darf.