Bild: EnBW / Endre Dulic
Noch macht der britisch-niederländische Öl und Gas-Konzern Shell etwa zehnmal so viel Jahresumsatz wie Tesla, aber anders als das mit Elektroautos und stationären Akkus droht sein Geschäft keine große Zukunft mehr zu haben. Schon Anfang der 2000er Jahre versuchte sich Shell deshalb auch in alternativen Energien, zunächst glücklos unter anderem mit Solarmodul-Produktion. Seit Ende 2017 aber gilt das Ziel, die eigenen Emissionen bis 2050 zu halbieren. Und wenn es um das Endkunden-Geschäft im deutschsprachigen Raum geht, scheint Shell dabei bemerkenswert entschieden auf Batterie-Elektroautos zu setzen.
Daten auswerten wie Tesla
Das lässt sich einem aktuellen Interview des Portals electrive.net mit Jan Toschka entnehmen, Chef des Tankstellen-Bereichs von Shell in der Region DACH. In Deutschland ist Shell zunächst vorsichtig zusammen mit EnBW und 100 schnellen Ladepunkten eingestiegen und kündigte in diesem Februar zusätzlich 100 eigene an. Bis Jahresende werde erst rund ein Dutzend aus der zweiten Welle aktiv sein, was langsamer sei als geplant, sagte Toschka in dem Gespräch. Teil des Problems seien unterschiedliche Spezifikationen jedes Netzbetreibers und Knappheit bei der Technik – „viele Komponenten sind europaweit gefragt“.
Bei den schon laufenden Stationen werden die Erwartungen im Durchschnitt erfüllt, sagte Toschka weiter. Allerdings gebe es immer noch Probleme im Betrieb wie zum Beispiel mit unzuverlässiger Erkennung von Karten. Und manchmal würden Elektroauto-Säulen selbst auf Tankstellen zugeparkt, weil jemand „drei Stunden spazierengeht“.
Bei der Standort-Wahl immerhin hat Shell anders als völlig Infrastruktur-Fremde den Vorteil, eigene Daten auswerten zu können. Tesla weiß, wo wie viele seiner Elektroauto unterwegs sind – und der Tankstellen-Betreiber weiß zumindest, wo Kunden welchen Kraftstoff tanken. Bei der Verbreitung von Elektroautos gebe es eine hohe Korrelation mit der Kaufkraft, erklärte Toschka. Und die könne Shell unter anderem daran erkennen, wo viel von seinen teuren V-Power-Varianten getankt werde.
Wasserstoff „super“, aber aufwendig
Außer bei Elektroauto-Tankstellen ist Shell auch bei Wasserstoff-Elektrolyse und Elektro-Kraftstoffen (E-Fuels) aktiv. Aber zu beidem äußerte sich der Manager in dem electrive-Interview zurückhaltend. Shell glaube, dass zum Gesamtbild verschiedene Kraftstoffe und Energieformen gehören, sagte er zwar. An beidem werde deshalb geforscht, aber für beides gelte, dass es wirtschaftlich Sinn ergeben muss – und einen Kunden, „der es kauft“. Die 40 Wasserstoff-Tankstellen von Shell in Deutschland seien „super“, aber der Aufwand stehe in keinem Verhältnis zu den wenigen hundert Fahrzeugen, die sie nutzen könnten.
Zum weiteren H2-Ausbau sagte Toschka deshalb, „wir müssen damit maßhalten“. Konkret sagte er, 1000 Stationen anzubieten hätte keinen Sinn. 2015 hatte Shell noch von 400 deutschen Wasserstoff-Tankstellen bis 2023 gesprochen; die erste wurde 2011 eröffnet.
E-Fuel für 4,50 Euro vor Steuer
Und auch zu Power to Liquid, also mit Einsatz von (sauberen Strom) erzeugten Kraftstoffen, hatte der Shell-Manager nicht viel Positives zu sagen. Er sprach von 90 Prozent Wandlungsverlusten, was die Frage nach der Nachhaltigkeit aufwerfe. Und darüber hinaus gebe es die nach der Finanzierbarkeit: „Wir müssen sehr aufpassen, was wir machen“, warnte er.
Sowohl E-Fuels als auch Wasserstoff werden von (kleiner werdenden) Teilen der deutschen Autoindustrie als Alternative zu Akku-Autos in Position gebracht. Shell als wichtiger Energie-Versorger für den Auto-Betrieb scheint nicht mehr dazuzugehören. Zudem nannte Toschka eine Zahl, die auch Fans von E-Kraftstoff abschrecken könnte: Zur Frage des Preises gebe es mehrere Studien, sagte er, er habe daraus 4,50 Euro pro Liter im Kopf – ohne Steuern.