Bild: @jonahplank
Mit der Anfang 2019 eingeführten Funktion Wächter- oder auf Englisch Sentry-Modus kann man Elektroautos von Tesla sozusagen auf sich selbst aufpassen lassen: Wenn er aktiviert ist, laufen Computer und Kameras darin beim Parken weiter, und wenn jemand zu nah kommt oder sogar eine Scheibe einschlägt, werden Warn-Meldungen angezeigt und Video-Bilder aufgezeichnet. Selbst die deutsche Polizei suchte schon mit Sentry-Bildern aus einem Model 3 nach einem Mann, der in Jena mutmaßlich ein Model 3 beschädigte. Und nicht weit davon entfernt hat sich jetzt ein ähnlicher Angriff ereignet, der ebenfalls mittels Tesla-Wächter dokumentiert wurde.
Mit gezücktem Schlüssel an Model 3 entlang
Aus den USA oder Kanada werden relativ häufig Videos im Internet veröffentlicht, die kriminelle, gefährliche oder kuriose Vorfälle aus Sicht des eingebauten Tesla-Wächters zeigen. In Deutschland findet man dergleichen eher selten, was möglicherweise nicht nur mit der insgesamt niedrigeren Zahl an Autos von Tesla als in ganz Nordamerika zusammenhängt: Die Nutzung des Wächter-Modus ist in Deutschland auch datenschutzrechtlich heikel, wie schon mindestens zwei Tesla-Besitzern von dafür zuständigen Behörden mitgeteilt wurde.
Die Polizei in Jena hielt das allerdings nicht davon ab, in diesem März Sentry-Bilder zu veröffentlichen, wie man sie aus Nordamerika kennt. Nicht im Video, aber auf einem von zwei Fotos von vorn recht deutlich ist darauf ein Pärchen zu sehen, das auf einem Supermarkt-Parkplatz hinter dem dort stehenden Tesla entlang geht. Laut der Polizei-Meldung gab der männliche Teil des jungen Paares dann einem Einkaufwagen einem Tritt, sodass er gegen das Auto stieß und es verbeulte. Mit den Fotos wurde nach Zeugen zu den Personen und dem Vorfall gesucht.
https://twitter.com/jonahplank/status/1520134584129794049
Die Tesla-Attacke in Jena ereignete sich nach den Angaben schon im vergangenen August, aber eine ähnliche aus der fast benachbarten Stadt Leipzig wurde jetzt mit nur wenigen Stunden Verzögerung bekannt. „Das ist einem guten Freund von mir in Leipzig passiert“, schrieb am Samstag der Twitter-Nutzer @jonahplank, und in dem Wächter-Video dazu ist als Datum der Vortag zu sehen. Außerdem zeigt es zwei junge Männer, die von hinten auf den Tesla zukommen. Einer bleibt an sein Fahrrad gelehnt mitten im Blick der Seitenkamera stehen. Der andere geht erst an dem Model 3 vorbei und dann in die Gegenrichtung zurück, wobei er offenbar mit einem Schlüssel die gesamte Seite des Elektroautos zerkratzt.
In den Twitter-Reaktionen blieben wütende Beiträge über derlei Tesla- oder allgemeine Auto-Beschädigung ebenso wenig aus wie Hinweise auf die deutsche Rechtslage. Einmal wurde die Polizei aufgefordert, gegen die Veröffentlichung des Videos vorzugehen. Dass auch ein Aufruf von Lynchen unter den Reaktionen war, zeigt vielleicht, dass Zurückhaltung mit solchen Aufnahmen keine schlechte Idee ist. Allerdings ist zumindest in der Twitter-Version des vom Tesla-Bildschirm abgefilmten Videos ohnehin kaum etwas vom Gesicht des mutmaßlichen Täters (anders als von seinem Begleiter) zu erkennen. Ob sich der Betroffene damit auch an die örtliche Polizei gewendet hat, damit sie im Zweifelsfall wie die Kollegen in Jena damit selbst an die Öffentlichkeit gehen kann, blieb zunächst offen.
Tesla-Wächter in Israel per Software deaktiviert
Unterdessen zeigt sich, dass strengere Datenschutz-Regeln als in den USA nicht nur in Deutschland Probleme mit dem Sentry-Modus bereiten: Seit 2021 gibt es Elektroautos von Tesla zusammen mit dem eingebauten Wächter auch in Israel, und laut einem Bericht von Ynetnews.com musste die Funktion dort per Software-Update sogar komplett abgeschaltet werden. Vorher soll Tesla sich geweigert haben, sie an die lokalen Gesetze anzupassen.
https://twitter.com/MosheShekhter/status/1507800161531092992
Ende März veröffentlichte ein israelischer Tesla-Besitzer ein Foto davon, was dann unbeobachtet vom Wächter mit seinem Model 3 passierte: Jemand kratzte große Buchstaben in den gesamten Kofferraum-Deckel, wohl mit einer Schmähung. Dringend bat der Besitzer darum, den Modus in Israel wieder nutzbar zu machen – und CEO Elon Musk sagte zu, sich die Angelegenheit anzusehen. Und wenn Tesla sich sowieso um eine internationale Anpassung seines Sentry-Modus kümmert, könnte ja auch für Deutschland eine rechtssichere Lösung dabei herauskommen.