Bilder: @tobilindh
Die zurückliegende Woche hatte kaum richtig begonnen, da lieferte Elon Musk schon Nachrichten, die für einen der bislang stärksten Kursanstiege bei der Tesla-Aktie überhaupt sorgten. Noch am vergangenen Sonntag deutscher Zeit war er unangekündigt nach China geflogen, und dabei kamen mehrere Fortschritte bei der Einführung der Autopilot-Erweiterung FSD auf diesem größten Elektroauto-Markt der Welt heraus. Schon einen Tag später verstörte der CEO allerdings mit der Entscheidung, das gesamte Supercharger-Team bei Tesla einschließlich seiner Chefin zu entlassen. In Europa begann unterdessen eine „Cyber Odyssey“, in deren Rahmen der außerhalb Nordamerikas nicht erhältliche Cybertruck ausgestellt wird.
FSD in China treibt Tesla-Aktie
Um gut 15 Prozent legte die Aktie von Tesla am Montag in den USA zu, nachdem im Verlauf des Tages mehrere positive Nachrichten zu FSD in China bekannt geworden waren. Das Treffen von Musk mit Premierminister Li Qiang schien nicht direkt damit in Zusammenhang zu stehen, sprach aber für ein anhaltend gutes Verhältnis trotz geopolitischer Spannungen. Zudem soll Tesla während des Musk-Besuchs eine grundsätzliche Genehmigung für die FSD-Einführung in China bekommen haben.
Eine Option mit diesem Namen (kurz für Full Self-Driving) wird dort wie in Europa seit vielen Jahren angeboten, basiert aber anders als in Nordamerika nicht auf neu entwickelter KI-Software mit viel weiter reichenden Fähigkeiten. Auf dem Heimatmarkt ist die Einschränkung „beta“ vor kurzem dem Zusatz „supervised“ gewichen. Damit befindet sich die FSD-Software dort offiziell nicht mehr im Teststadium, aber eine Zulassung für autonomes Fahren ohne menschliche Überwachung hat sie weiterhin nicht. Kunden-Daten zeigen, dass die aktuelle Version V12.3.6 -Fahrten etwa alle 900 Kilometer eine kritische Intervention verursacht.
Ein konkreterer China-Fortschritt bestand jetzt darin, dass Tesla seine Karten-Partnerschaft mit der lokalen Internet-Größe Baidu vertieft hat, wie ebenfalls am Montag bekannt wurde. Zwar sagte CEO Musk laut Bloomberg vor fünf Jahren, hochaufgelöste Karten würden für autonomes Fahren nicht benötigt. Systeme für autonomes und hochassistiertes Fahren müssen sich jedoch zumindest in Echtzeit ein Bild ihrer Umgebung machen – und schon dafür braucht man in China eine Karten-Lizenz. Eine der wenigen davon hat Baidu, und Beobachter gingen davon aus, dass Tesla im Rahmen der Partnerschaft China-Daten für die FSD-Entwicklung sammeln und auswerten kann.
Gesamtes Supercharger-Team entlassen
Wann es mit FSD in China losgehen soll, blieb vorerst offen. Tesla soll zwar frühe Käufer der Option zu Tests eingeladen haben, aber dazu stellte sich heraus, dass es dabei zunächst nur darum ging, dass Interessenten sich anmelden.
Ungeachtet der offenen Fragen sorgten die Nachrichten aus China an der Börse für Euphorie. Schon einen Tag ging es allerdings wieder kräftig nach unten, denn am Dienstag hieß es, das gesamte Supercharger-Team bei Tesla einschließlich seiner Chefin Rebecca Tinucci sei entlassen worden, ebenso wie die Abteilung für Neufahrzeug-Entwicklung unter Daniel Ho.
Die Supercharger-Meldungen bestätigte CEO Musk indirekt, indem er auf X erklärte, der Ausbau des Netzes werde weitergehen, nur mit mehr Fokus auf Erweiterungen und Zuverlässigkeit statt neuer Standorte. In einer internen E-Mail soll er zuvor mit weiteren Führungskräfte-Entlassungen gedroht haben, wenn diese ihre Teams nicht konsequent verkleinern. Wohl in diesem Zusammenhang soll in dieser Woche auch Allie Arebalo zurückgetreten sein, die seit Februar 2023 oberste Personal-Managerin bei Tesla gewesen war.
Autonomie wichtiger als E-Autos
Insbesondere die Supercharger-Entlassungen kamen überraschend, denn zuverlässiges Laden gilt als wichtige Unterstützung für die Verbreitung der Elektroautos von Tesla – und neuerdings auch für andere, weil das Netz zuerst in Europa und seit diesem Jahr auch in den USA zunehmend geöffnet wurde. Die Agentur Bloomberg spekulierte, Musk könne zu der Ansicht gekommen sein, dass der Supercharger-Bereich dauerhaft nicht profitabel (genug) werden könne. Zugleich betone er mit der radikalen Entscheidung (auf die selektive Wiedereinstellungen folgen dürften) möglicherweise ein weiteres Mal, dass in seinen Augen autonomes Fahren für Tesla weitaus wichtiger ist als reiner Elektroauto-Verkauf.
An der Börse würde trotzdem lieber gesehen, wenn Tesla seine Verkäufe auf dem Weg zu diesem großen Ziel wie bis Ende 2023 weiter steigern könnte. Danach sieht es in diesem Jahr bislang nicht aus, zumal auch ein noch recht junges Team für Inhalte-Produktion (also Werbung) bei Tesla schon wieder abgeschafft wurde. Mit TV-Werbung ist also weiterhin nicht zu rechnen, aber viel kostenlose Aufmerksamkeit bekommt Tesla mit dem Cybertruck. Dessen Produktion für den US-Markt begann Ende 2023 in kleinen Stückzahlen, und unter anderem viele prominente Käufer machen immer wieder auf den kantigen Pickup aufmerksam. Für Europa ist er in der jetzigen Form nicht geeignet, aber trotzdem schickte Tesla ihn diese Woche auf eine Tournee durch den alten Kontinent.
Tesla Cybertruck auf Europa-Tournee
Dazu wurde eine eigene Webseite unter dem Titel „Cyberodyssey“ eingerichtet, und wer auf „Cybertruck kennenlernen“ klickt, kann sehen, dass der Tesla-Pickup ab Donnerstag bereits in dem deutschen Hauptstadt-Einkaufszentrum Mall of Berlin stand. Viele Neugierige machten sich auf den Weg dorthin, teils aus dem Ausland wie Kees Roelandschap vom niederländischen Vermieter Mr. Green. Der Cybertruck sei ein tolles Auto und sehe hochwertig produziert aus, und der Scheibenwischer „unreal“, schrieb er teslamag.de anschließend. Vor Ort war auch Tobi Lindh (s. Foto oben), der für seine Drohnen-Beobachtung der Gigafactory im nahen Grünheide bekannt ist. Hineinsetzen durften sich beide nicht, wie sie berichteten.
Weitere Deutschland-Auftritte soll der Cybertruck laut der Übersichtsseite bis Juli in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Hannover und München haben. In einer Presse-Mitteilung dazu weist Tesla darauf hin, keinen Zeitpunkt für Auslieferungen außerhalb Nordamerikas angegeben zu haben. Neue Hoffnungen für Europa weckte die Tour trotzdem, aber auf X verwies der Cybertruck-Chefingenieur auf eine konkrete Regelung, die eine Zulassung im UNECE-Raum (zu dem die EU gehört) vorerst verhindert: Kein hervorstehendes Karosserie-Teil darf unter 2,5 Millimeter Krümmungsradius haben. Unlösbar soll dieses Problem allerdings nicht sein.
UN ECE reg 26 section 5.4 is a bit challenging to meet with panels that are 1.8mm thick. Too thin for a normal edge radius to meet the spec and too thick to hem. It's not impossible to solve… pic.twitter.com/Q9WY2ZOSNF
— Wes (@wmorrill3) May 2, 2024
In den USA hat Tesla unterdessen sein Programm an relativ konventionellen Elektroautos verändert. Am frühen Samstag wich die bisherige Basis-Version des Model Y einer neuen, die ebenfalls nur Heckantrieb hat, aber mit 320 Meilen (515 km) die höchste Reichweite. Offenbar steckt darin der gleiche Akku aus US-Produktion wie in den teureren Versionen Long Range und Performance mit Allrad. Dadurch können Käufer des kleinsten Model Y jetzt ebenfalls 7500 Dollar Steuer-Rabatt bekommen. Zudem produziert Tesla es laut CEO Musk schon seit einigen Monaten mit dem größeren Akku. Die zusätzliche Reichweite dürfte in dieser Zeit per Software versteckt worden sein – und soll sich demnächst gegen Zahlung von 1500-2000 Dollar freischalten lassen.
Tesla-Akku mit 2 GWh in Australien
Beides verbessert die US-Aussichten für das Elektroauto-Geschäft von Tesla in den nächsten Monaten, das weltweit im ersten Quartal dieses Jahres einen Volumen-Rückgang um 8,5 Prozent gegenüber Q1 2023 verzeichnete. Einen neuen Rekord dagegen gab es bei der Installation von stationären Speichern, die seit dem Start einer speziellen Megapack-Fabrik in Kalifornien Ende 2022 rapide zugenommen hat. Bei der Telefon-Konferenz zu den Q1-Zahlen Ende April sagte ein Tesla-Manager, deren Kapazität werde bis Ende des Jahres auf 40 Gigawattstunden verdoppelt.
Hier scheint es an Nachfrage anders als bei Elektroautos aktuell nicht zu fehlen: In dieser Woche kündigte der Erneuerbaren-Spezialist und langjährige Tesla-Partner Neoen an, ein geplantes Projekt mit Megapacks in Australien auf 2,2 Gigawattstunden Kapazität und 560 Megawatt Leistung fast zu verdreifachen. Damit soll es das größte des Landes und eines der größten weltweit werden.