Im vergangenen Sommer gab ein deutsches Gericht einer Klage des Wirtschaftsvereins Wettbewerbszentrale gegen Tesla statt: Mit irreführenden Aussagen zu seinem Autopilot-System und der Option „Volles Potenzial für autonomes Fahren“ (auf Englisch als Full Self-Driving oder FSD bezeichnet) verstoße das Unternehmen gegen geltendes Recht, urteilte das Landgericht München. Tesla ist gegen das Autopilot-Urteil in Berufung gegangen, und viele sahen es als weiteren Versuch der etablierten deutschen Auto-Branche, dem Konkurrenten Steine in den Weg zu legen. In Kalifornien hat jetzt allerdings eine Untersuchung zum selben Thema begonnen, die gravierendere Konsequenzen haben könnte.
Tesla-Prüfung nach tödlichem Unfall
Nach offiziellen Angaben von Tesla auf der Website, in Anleitungen und gegenüber Behörden ist der Autopilot bislang lediglich ein Assistenz-System der Stufe 2, nimmt der Person am Steuer also rechtlich gesehen zu keinem Zeitpunkt die Verantwortung ab. Doch die Bezeichnung und dazu der englische Name Full Self-Driving für zusätzliche Funktionen hören sich für Kritiker viel weitgehender an. Laut Rechtsexperten hätte Tesla das in Deutschland mit erläuternden Sternchen-Texten leicht in den Griff bekommen, entschied sich aber stattdessen, in die nächste Instanz zu gehen.
Deren Entscheidung scheint noch auszustehen, aber in Kalifornien hat laut Berichten jetzt ein ähnliches Verfahren begonnen. Die Verkehrsbehörde Department of Motor Vehicles (DMV) habe eine „Prüfung“ der Frage eingeleitet, ob Tesla Kunden mit Aussagen zur FSD-Fähigkeit seiner Elektroautos in die Irre führt, berichtete am Montag zuerst die Los Angeles Times. Nähere Informationen zu dem Verfahren enthält der Artikel nicht. Aber allgemein bestätigte ein DMV-Sprecher der Nachrichten-Agentur Associated Press (AP), dass das Tesla-Marketing zum autonomen Fahren überprüft wird.
Wann das Verfahren begonnen hat, lässt sich den Berichten nicht entnehmen. Die Prüfung könnte aber mit einem aktuellen Tesla-Unfall in dem US-Bundesstaat zusammenhängen. Anfang Mai kam dort der Fahrer eines Model 3 ums Leben, als er auf einem Highway in einen umgekippten Lastwagen fuhr. Die Autobahn-Polizei erklärte dazu Ende vergangener Woche, das Autopilot-System sei dabei aktiv gewesen, relativierte diese Aussage aber kurz darauf. Außerdem wurde in Kalifornien zuletzt mehrfach ein anderer Tesla-Besitzer gesehen, der sich auf der Rückbank sitzend demonstrativ vom Autopilot-System fahren lässt – selbst nach einer Festnahme und nachdem sein erstes Model 3 beschlagnahmt wurde.
Neue Autopilot-Verfahren bei NHTSA
Laut dem AP-Bericht zu dem DMV-Verfahren ist es in Kalifornien verboten, Fahrzeuge als autonom zu bewerben, wenn sie die regulatorische Definition dafür nicht erfüllen. Dass dem bei seinen Elektroautos nicht so ist, hat Tesla der Behörde vor kurzem selbst mitgeteilt, also dürfte es bei der Prüfung vor allem darum gehen, wie das Autopilot- und FSD-Marketing des Unternehmens zu bewerten ist. Dabei könnten auch Aussagen von CEO Elon Musk eine Rolle spielen, der seit Jahren autonomes Fahren bei Tesla in Aussicht stellt, allerdings meist mit vorsichtigen Formulierungen.
Und während ein deutsches Urteil gegen Autopilot-Aussagen wohl wie erwähnt mit Erläuterungen im Kleingedruckten abzuarbeiten wäre, könnte es in Kalifornien oder den ganzen USA ernster werden. Laut AP kann das DMV allgemein Herstellern Produktionslizenzen entziehen, wenn sie gegen Regeln verstoßen – Tesla hat seinen Hauptsitz in dem Bundesstaat. Abgesehen davon werden aktuell mehrere Tesla-Unfälle von der US-Bundesbehörde NHTSA untersucht, berichtet AP weiter. Seit diesem März seien drei hinzugekommen. Einer davon ist ein Unfall, bei dem Mitte April in Texas zwei Männer in einem Tesla Model S ums Leben kamen. Retter fanden keinen der beiden am Steuer des Autos vor, die bisherigen Untersuchungen sprechen aber deutlich gegen den anfänglichen Autopilot-Verdacht.