Unterstützt vom Autopilot-System, haben die Elektroautos von Tesla in den USA rechnerisch nur einen Unfall pro 4,3 Millionen gefahrene Meilen, fast neunmal seltener im Auto-Durchschnitt des Landes. Das ging aus dem Anfang des Jahres veröffentlichten Safety Report des Unternehmens für das vierte Quartal 2021 hervor und erweckte wie frühere Statistiken dieser Art den Eindruck, dass man in einem Tesla mit dem Assistenz-System deutlich sicherer unterwegs ist als in anderen Autos. Laut einer Agentur aber könnte die US-Verkehrsbehörde bald Daten veröffentlichen, die zeigen, dass Autopilot-Unfälle überdurchschnittlich häufig vorkommen, wenn man die Zahl an der mit anderen Fahrassistenten misst. Aktualisierung: Die NHTSA-Daten sind da und zeigen sogar eine noch höhere Zahl solcher Fälle bei Tesla. Allerdings sind die Daten für Vergleiche kaum geeignet, wie die Behörde selbst einschränkte (s. ganz unten)
200 Autopilot-Unfälle bei Tesla gemeldet
Vor knapp einem Jahr führte die NHTSA in den USA eine Meldepflicht für Unfälle ein, bei denen bis zu 30 Sekunden vorher ein Assistenz-System aktiviert war. Diese Vorschrift gilt für alle Anbieter, wurde aber trotzdem zum Teil als „Lex Tesla“ verstanden, weil sich die Behörde zunehmend auf das Autopilot-System einzuschießen schien. Im August begann sie zusätzlich eine offizielle Voruntersuchung von Unfällen, bei denen Teslas stehende Einsatz-Fahrzeuge mit aktiviertem Blaulicht gerammt hatten. Dieses Verfahren ging vergangene Woche in die nächste Phase, wie die NHTSA mitteilte. Wenn sich der Verdacht eines systematischen Problems bestätigt, könnte die Folge ein Rückruf aller gut 800.000 bislang in den USA verkauften Model S, Model X, Model 3 und Model Y seit 2014 sein.
In ihrer Mitteilung dazu nannte die Behörde außerdem bereits ein Zwischenergebnis der neuen Meldepflicht für Assistenten-Unfälle, wie jetzt die Agentur AP berichtete: Bei Tesla seien es mehr als 200 gewesen und damit deutlich mehr pro 1000 Fahrzeuge als bei anderen Herstellern, die der Agentur darüber Auskunft gaben. General Motors soll nur drei Unfälle unter (vorheriger) Beteiligung seines Systems Super Cruise gemeldet haben, das auf 34.000 Fahrzeugen laufe. Nissan verzeichnete mit ProPilot Assist auf 560.000 Autos keinen einzigen, genau wie Ford mit seinem neuen Assistenten Blue Cruise. Stellantis gab laut AP zwei Unfälle mit verschiedenen Systemen an, weitere Hersteller wollten einer Veröffentlichung durch die NHTSA nicht vorgreifen.
Bei Tesla aber hat das die Behörde offenbar selbst gemacht, und der Vergleich mit GM und Nissan sieht auf den ersten Blick nicht gut aus. Er steht aber nicht unbedingt in Widerspruch zu den Unfall-Daten von Tesla selbst, die nur einen Vergleich mit dem Durchschnitt aller US-Autos ziehen, nicht mit anderen Assistenten-Systemen. Darüber hinaus weist AP selbst darauf hin, dass Tesla von Unfällen mit seinen Elektroautos aufgrund ihrer Online-Anbindung schnell Kenntnis bekommt, während andere Hersteller auf Rückmeldungen aus anderen Kanälen warten müssen. Es könnte bei ihnen also mehr Assistenz-Unfälle gegeben haben, als sie selbst schon wissen und deshalb melden konnten.
Update: Wenig Aufschluss durch NHTSA-Daten
Ein weiteres Argument zur Verteidigung des Tesla-System ist, dass sein Autopilot viel intensiver genutzt wird als Assistenten in anderen Autos. Korrekter für einen Vergleich wäre deshalb, die Zahl der Unfälle ins Verhältnis zu den assistiert gefahrenen Meilen bei jeder Marke zu setzen. Was dabei herauskäme, ist bis zur Bekanntgabe der voraussichtlich umfangreichen NHTSA-Daten offen.
Aktualisierung: Am Mittwochnachmittag deutscher Zeit veröffentlichte die Behörde eine Pressemitteilung mit den angekündigten Daten. Demnach hat Tesla von Juli 2021 bis Mitte Mai 2022 sogar 273 Unfälle gemeldet, bei denen bis zu 30 Sekunden vorher das Autopilot-System aktiv war, gefolgt von Honda mit 90 und Subaru mit 10 (s. Grafik oben). Die Behörde weist aber selbst darauf hin, dass die vorliegenden Informationen der Hersteller von unterschiedlicher Qualität und Aussagekraft seien. Wohl mit Blick auf Tesla erklärt sie zum Beispiel, Hersteller mit moderner Daten-Aufzeichnung und Telemetrie würden möglicherweise mehr zu melden haben, weil andere, wenn überhaupt, erst später über direkte Kunden-Rückmeldungen von Unfällen erfahren. Außerdem seien bei den Meldungen dazu keine Angaben über die Gesamtzahl der Fahrzeuge mit dem jeweiligen System oder über deren zurückgelegte Distanzen vorgesehen, sodass wichtiger Kontext fehle.
Insofern lassen die jetzt veröffentlichten Daten auch keine Aussagen über die relative Häufigkeit zu. Die von Tesla selbst veröffentlichten Vergleiche bleiben damit unwiderlegt. Ein Ende des Ärgers mit der Verkehrsbehörde dürfte aber auch das nicht bedeuten: In ihrer Mitteilung von vergangener Woche erwähnte sie auch, dass Hersteller absehbaren Missbrauch ihrer Systeme technisch so weit wie möglich ausschließen müssen. Und dass der Tesla-Autopilot so intensiv genutzt wird, könnte unter anderem damit zusammenhängen, dass sich die Funktion Autosteer auch abseits von Highways nutzen lässt, obwohl im US-Handbuch steht, dass sie nur für dieses Umfeld gedacht ist.