Auf gut 170 Seiten haben die Parteien Bündnis 90 / Die Grünen, FDP und SPD am Mittwochnachmittag verkündet, wie sie im ersten bundesdeutschen Ampel-Bündnis zusammen „mehr Fortschritt wagen“ wollen. Tatsächlich soll laut dem Koalitionsvertrag vieles zumindest größer werden, unter anderem die Zahl der Ministerien, aber auch deutlich der Anteil erneuerbarer Energie und die Zahl der reinen Elektroautos. Klima soll eine Querschnittsfunktion (allerdings ohne Veto-Recht) wie bisher nur das Finanzressort und Olaf Scholz Kanzler werden. Und um es vorwegzunehmen: Die hohe deutsche Elektroauto-Kaufprämie ist zumindest bis 2022 jedenfalls der Absicht nach gesichert.
Grüne Signale in der Politik
Insgesamt zeigt die Ampel somit deutlich grüne Signale, auch wenn der Anstieg des CO2-Preises für fossile Brennstoffe vorerst nicht weiter beschleunigt werden soll. Das hat laut dem Vertrag soziale Gründe – schließlich sei Energie derzeit schon ohne Extra-Belastung teuer genug. Beim Ausstieg aus der Kohle lautet der Kompromiss „idealerweise auf 2030 vorziehen“, ergänzt um die Anmerkung, dass diese Beendigung des fossilen Zeitalters auch die „Technologie des Verbrennungsmotors“ mit einschließe.
Scheinbar im Widerspruch dazu wird an anderer Stelle eine Aussage aus der Ampel-Sondierung wiederholt: Die Koalition wolle sich dafür einsetzen, dass „nachweislich nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge“ auch dann noch neu zugelassen werden können, wenn alle Neufahrzeuge CO2-neutral sein müssen – spätestens 2035. Schon fünf Jahre früher soll es in Deutschland 15 Millionen reine Elektroautos geben. Das ist insofern eine Ansage, als die Zahl der Neuzulassungen nur mit Akku trotz starken Wachstums in diesem Jahr bei nicht einmal einer halben Million enden dürfte. Dafür gebraucht werden ab 2022 jedes Jahr im Schnitt mindestens 1,6 Millionen reine E-Autos.
6000 Euro Elektroauto-Prämie auch 2022
Zur Lade-Infrastruktur äußert sich die kommende Koalition politisch-umständlich, aber auch sie soll viel mehr werden. Eine Million Säulen 2030 lautet das Ziel, privat mobilisiert und bei Bedarf mit Auflagen, soweit baulich möglich, und zwar effizienter und effektiver und weniger bürokratisch. Der geerbte Infrastruktur-Masterplan wird zügig überarbeitet. Gleichzeitig könnte Elektroauto-Laden billiger oder jedenfalls langsamer teurer werden als befürchtet: Ab 2023 sollen EEG-Zahlungen nicht mehr über den Strompreis finanziert werden, sondern aus dem allgemeinen Haushalt – eine Entlastung um dann noch 3,7 Cent pro Kilowattstunde.
Die vorige Große Koalition hatte zwar angekündigt, die von ihr eingeführte Erhöhung des staatlichen Umweltbonus für Elektroauto-Käufer auf bis zu 6000 Euro über Ende 2021 hinaus zu verlängern, verzichte aber nach der Wahl darauf. Doch auch die Ampel ist dafür: Die als Innovationsprämie bezeichnete Verdoppelung soll bis Ende 2022 fortgeführt werden. Als Grund nennt der Vertrag nicht tiefe Überzeugung, sondern „insbesondere“ Lieferschwierigkeiten bei schon bestellten Plugin-Hybriden.
80% erneuerbarer Strom, Speicher als Säule
Später soll diese Förderung reformiert werden, mit sinkenden Zuschüssen und ab August 2023 mindestes 80 km Elektro-Reichweite bei Hybriden. Nach 2025 hält die Ampel-Regierung keine Innovationsprämie mehr für erforderlich (was aber den ursprünglichen Umweltbonus von derzeit bis zu 3000 Euro nicht unbedingt einschließt). Offenbar nur über eine steuerliche Regelung und noch ohne festes Jahr ist geplant, dafür zu sorgen, dass Plugin-Hybride zu mindestens 50 Prozent elektrisch fahren: Um vom ermäßigten Pauschalsatz von 0,5 Prozent für die Privatnutzung von Dienstwagen zu profitieren, muss man diesen Anteil nachweisen.
So wird immer mehr Strom gebraucht, nach Schätzung der Koalitionäre 680-750 Terawattstunden im Jahr 2030. 80 Prozent davon sollen dann aus erneuerbaren Energien stammen. Das bedeutet einen massiven Ausbau, und tatsächlich ist im Vertrag entschlossen von einer „gemeinsamen Mission, den Ausbau der Erneuerbaren Energien drastisch zu beschleunigen und alle Hürden und Hemmnisse aus dem Weg zu räumen“ die Rede. Als neue eigenständige Säule des Energiesystems sollen zudem Speicher rechtlich definiert werden.
Die deutsche politische Ampel steht jetzt also im doppelten Sinn auf Grün. Die Schwierigkeiten und Konflikte dürften sich im Detail ergeben. Vorerst offen sind zudem Fragen der Finanzierung. Steuererhöhungen stehen jedenfalls nicht im Programm. Bis Anfang Dezember sollen Mitglieder der drei beteiligten Parteien darüber abstimmen – nur bei den Grünen alle, bei SPD und FDP Delegierte. Und bevor sie entschlossen die Energie-Wende beschleunigt, wird sich die Scholz-Regierung um die Corona-Pandemie kümmern müssen, die in Deutschland längst wieder eine rote Warn-Ampel verdient hat.