Von April 2022 bis einschließlich diesem März wurden in Deutschland rund 75.000 Elektroautos von Tesla neu zugelassen – und laut einem Bericht haben die meisten privaten Käufer dieser Fahrzeuge gute Chancen, sie zurückgeben und den vollen Kaufpreis dafür wiederbekommen zu können. Denn bis vor kurzem soll in der vorgeschriebenen Widerruf-Belehrung von Tesla die Angabe einer Telefon-Nummer gefehlt haben, was dazu führt, dass die Frist für die Nutzung dieses Rechts statt nur 14 Tage ein ganzes Jahr länger läuft.
Später Widerruf durch Lücke bei Tesla
Vor diesem Hintergrund drohe Tesla in Deutschland ein „Supergau“, berichtete am Freitag die Elektroauto-Vermietung nextmove. Die Informationen dazu stammen nach den Angaben von dem Rechtsanwalt Matthias Böse, der bei Kunden bereits recht bekannt ist und es auch bei dem Unternehmen sein dürfte. Auf seiner Website gibt es mehrere Beiträge zu rechtlichen Tesla-Fragen und er kooperiert mit einer Inkasso-Firma, die in einem Sammelverfahren Geld wegen fehlender Parkhilfen erstreiten will.
Wie nextmove berichtet, hat Böse vor kurzem entdeckt, dass die Widerruf-Belehrung von Tesla die entscheidende Lücke aufweist – bis ungefähr Mitte April habe darin die vorgeschriebene Angabe der Telefon-Nummer gefehlt. Und die Folgen davon seien weitreichend: Die Frist für den Widerruf eines online oder per Telefon geschlossenen Kaufvertrags verlängere sich dadurch um ein volles Jahr. Zudem sollen gute Chancen bestehen, dass Kunden ihren Tesla ohne Abzüge vom Kaufpreis zurückgeben und sogar den Umweltbonus behalten können.
Auf seiner Website beschreibt Anwalt Böse die Widerruf-Lücke auch selbst und bestätigt, dass „ein massives Problem“ auf Tesla zukomme. Für die Kunden sei sie auf der anderen Seite eine sehr gute Gelegenheit, „ihr Fahrzeug ohne Schaden wieder loszuwerden“, nachdem durch die Senkung der Neupreise bei Tesla auch die Preise auf dem Gebrauchtmarkt gefallen sind. Das Risiko einer juristischen Niederlage stuft der Anwalt als gering ein, weist aber darauf hin, dass dieser Fall erhebliche Kosten für klagende Kunden bedeuten würde.
Wer eine Rechtsschutzversicherung hat, ist in dieser Hinsicht sicherer. Zudem lässt sie sich laut Böse möglicherweise noch abschließen, weil als Zeitpunkt des Schadens bei solchen Fällen nicht der Fahrzeug-Kauf gelte, sondern die Verweigerung der Rückerstattung nach dem Widerruf. Einige Anbieter würden keine Wartezeit nach Vertragsabschluss vorsehen und auch Widerrufe nicht ausschließen.
Elektroauto-Bonus kann erhalten bleiben
Wie nextmove weiter berichtet, geht Böse nicht davon aus, dass derartige Verfahren ein Durchmarsch werden. Tesla werde sich mit allen Mitteln wehren und sie in die Länge ziehen. Zudem könne eine vorherige Probefahrt des später gekauften Modells die Ansprüche gegen Tesla in Frage stellen; für gewerbliche Käufer besteht die Widerruf-Möglichkeit gar nicht, und auch wenn Leasing oder eine Finanzierung im Spiel ist, könnten andere Regeln gelten. Darüber hinaus könne das Unternehmen mit einer rechtsmissbräuchlichen Nutzung des Widerruf-Rechts argumentieren. Das ist laut Böse aber wenig aussichtsreich, weil viele Kunden wegen Problemen mit Assistenz-Funktionen ja tatsächlich unzufrieden mit ihren Tesla seien.
Konkrete Versuche, Tesla nach Widerruf ein vor höchstens 12 Monaten und 14 Tagen gekauftes Auto wieder auf den Hof zu stellen und den vollen Kaufpreis zurückzuverlangen, scheint es noch nicht gegeben zu haben. Wenn sich diese Möglichkeit herumspricht und sie wirklich funktioniert, könnte sie für das Unternehmen finanziell tatsächlich unschön werden. Die Kunden aber können in manchen Fällen sogar den staatlichen Umweltbonus behalten, der bis Ende 2022 bei 6000 Euro lag: Laut nextmove gab es in den Richtlinien dafür ebenfalls eine Lücke in Zusammenhang mit Widerrufen, die erst mit einer neuen Version im Dezember geschlossen wurde.