Bild: Aston Martin (Archiv)
Ohne der britischen Marke Aston Martin, seit 2018 an der Londoner Börse notiert und immerhin offizieller Autolieferant der königlichen Familie, zu nahe treten zu wollen: Sie hat schon bessere Tage gesehen. Wie jeden Hersteller sportlicher Autos plagt sie das Problem, dass die elektrischen von Tesla diese bei der Spritzigkeit meist mühelos übertreffen – aber weil Aston Martin unabhängig ist, fehlt es an Geld, um selbst überzeugende Elektroautos zu entwickeln, ohne die Stammkunden zu vernachlässigen. Eine Motor-Belieferung einschließlich E-Antrieben von Mercedes soll es richten. Aber dennoch scheint zumindest ein Manager in dem britischen Unternehmen in der aktuellen Elektroauto-Diskussion zu fragwürdigen Mitteln gegriffen zu haben.
Elektroauto-Forscher: Nur Broschüre
Von einer „Studie mit von Forschern ermittelten Ergebnissen“, laut der Elektroautos erst nach 50.000 Meilen Fahrleistung umweltfreundlicher werden als konventionelle, war vergangene Woche unter anderem in der angesehenen Zeitung The Times zu lesen. Doch es dauerte nicht lange, bis sich der niederländische Elektroauto-Spezialist Auke Hoekstra auf Twitter zu Wort meldete und erklärte, weder von Forschern noch von einer Studie könne die Rede sein. Stattdessen schrieb er von einer „Broschüre, die von Lobbyisten und einer PR-Firma für ihre Sponsoren verfasst wurde“. Und zu diesen zählen nach den Angaben darin Aston Martin, der japanische Autohersteller Honda und der deutsche Zulieferer Bosch.
Tatsächlich lässt sich dem Dokument selbst entnehmen, dass keine eigene Forschung dahintersteckt. Die Emissionen von Elektroautos im Vergleich zu Verbrennern machen zudem nur einen kleinen Teil der 20 aufwendig gestalteten Seiten zum Gesamtthema „Straßentransport dekarbonisieren“ aus. Und die Daten dazu wurden nicht selbst erhoben, sondern stammen (wie immerhin sauber in einer Fußnote angegeben ist) direkt von dem schwedisch-chinesischen Hersteller Polestar, der dafür sein Elektroauto 2 mit einem Volvo XC40 verglich.
New 'study' claims it takes 48k miles for electric vehicles to emit less CO2 than gasoline cars.
But it's just a misleading brochure.
Reality is closer 16k miles.UK media including @thetimes where mislead by this carmaker-paid attack on @BorisJohnson's green plans. (thread) pic.twitter.com/ozuhbX8NXU
— AukeHoekstra (@AukeHoekstra) November 27, 2020
Unter einer Reihe von Annahmen kam dabei heraus, dass der Polestar 2 erst nach 112.000 Kilometern weniger CO2 verursacht als der Volvo, beim europäischen Strommix nach 78.000 Kilometern und bei rein erneuerbarem Laden nach 50.000 Kilometern. Das wurde in der jetzt veröffentlichten Studien-Broschüre zusammen mit „ähnlichen Ergebnissen“ beim Vergleich Golf Diesel gegen e-Golf zitiert, und die Times und andere britische Zeitungen machten daraus „50.000 Meilen“-Schlagzeilen.
Doch laut dem Elektroauto-Forscher Hoekstra lassen sich diese nicht halten. Wie er es sich zur Angewohnheit gemacht hat, nahm er sich die Polestar-Berechnungen als Grundlage für die neuen Behauptungen vor und erklärte, an welchen Punkten er sie für fehlerhaft hält. So sei für den Polestar 2 eine Karosserie-Produktion in China angenommen worden, für den XC40 in Belgien mit weniger CO2 in der Stromerzeugung dafür. Außerdem gehe Polestar von einem unveränderten Euro-Strommix über die gesamte Nutzung aus, was bei einer Lebenszyklus-Analyse nicht korrekt sei. Mit diesen Modifikationen errechnete Hoekstra den Elektroauto-Breakeven nach 25.000 statt 78.000 Kilometern.
PR-Firma mit Manager-Ehefrau
Damit kann der fachliche Teil der britischen Broschüre oder zumindest seine Wiedergabe in den Medien als widerlegt gelten, aber die Veröffentlichung hatte einen weiteren brisanten Aspekt, wie die Zeitung Guardian jetzt berichtete: Die angebliche Studie sei von den genannten Sponsoren nicht nur in Auftrag gegeben, sondern auch geschrieben worden. Zudem sei die PR-Firma Clarendon Communications, die sie verbreitet hatte, auf die Ehefrau des bei Aston Martin für politische Kommunikation zuständigen Managers registriert, und zwar am gemeinsamen Wohnsitz.
Die Auftraggeber hätten den Bericht auch „zusammengestellt“, bestätigte laut Guardian auf Nachfrage die Ehefrau. Außerdem arbeite ihre PR-Firma für Bosch und leiste „Unterstützung bei politischen und Stakeholder-Fragen“. Ein Bosch-Sprecher sagte der Zeitung, das Unternehmen stehe voll hinter der Studie, die auf unabhängigen, zitierten Daten beruhe.
Statement from Aston Martin CEO, Tobias Moers: pic.twitter.com/lBHR2C1Ple
— Aston Martin (@astonmartin) December 3, 2020
Aston Martin allerdings entschied sich für eine andere Vorgehensweise, nachdem über das Zustandekommen der Daten berichtet worden war: Der Bericht sei vor seinem Eintritt in das Unternehmen initiiert worden und er sei vor der Veröffentlichung nicht über die Inhalte informiert worden, ließ der frühere AMG-Chef Tobias Moers ausrichten, der erst seit diesem August CEO von Aston Martin ist. Die Umstände bei Auftragsvergabe und Veröffentlichung des Berichts würden jetzt intern untersucht.