Um das Verhältnis zwischen Tesla-Chef Elon Musk und seinem früheren Technik-Chef Peter Rawlinson scheint es nicht zum Besten bestellt zu sein. Das zeigt sich schon daran, dass Musk wiederholt erklärt hat, der Beitrag von Rawlinson zum Model S sei gar nicht so entscheidend gewesen, wie dieser behauptet. Nach vier Jahren Tesla ging der Brite jedenfalls zu Lucid Motors, wo er nach eigenen Angaben mit der Elektro-Limousine Air das beste Auto der Welt bauen will. Bislang zeigte sich Rawlinson dabei gegenüber Tesla zurückhaltend und höflich, scheint aber jetzt die Tonlage gewechselt zu haben.
Lucid laut CEO keine Tesla-Konkurrenz
Einer der Angriffe von Musk auf seinen früheren Mitarbeiter, der seit 2019 außer Technik-Vorstand auch CEO bei Lucid ist, kam im September 2020, kurz bevor die Preise für den Air genannt wurden. Rawlinson habe das Model S nicht designt, kommentierte der Tesla-Chef damals auf Twitter einen Artikel über die Pläne. Der bei seinem Eintritt als Vice President und Chief Vehicle Engineer bezeichnete Ingenieur habe Beiträge zu Karosserie und Fahrwerk geleistet, aber nicht zu Antrieb, Batterie, Elektronik oder Software.
Rawlinson selbst wollte zu dieser Zeit nichts über sein Verhältnis zu Musk sagen – das hebe er für ein Buch auf, erklärte er in einem Interview nur. Außerdem lobte er die technologische Führung von Tesla und wiederholte, der Lucid Air sei gar nicht als Konkurrenz für das Model S gedacht, sondern für die S-Klasse von Mercedes und andere luxuriöse Verbrenner. Im Übrigen sei Lucid „nichts“, bevor die Produktion des Air nicht wirklich begonnen habe.
Rawlinson bei Tesla-Zellen skeptisch
Inzwischen aber ist Lucid über eine Spac-Fusion an die Börse gekommen, und im US-Bundesstaat Arizona hat in dieser Woche die Serienproduktion des Air begonnen. Das Ziel für dieses Jahr beläuft sich weiter auf 577 Exemplare des Air, sagte Rawlinson in einem Interview mit Reuters, bei den höheren Zielen für 2022 und 2023 liege Lucid im Plan. Und ob provoziert oder nicht: Offenbar zum ersten Mal äußerte sich der Wechsler darin kritisch über seinen früheren Arbeitgeber – oder jedenfalls sein Umfeld.
Dabei geht es um die Batterie-Zellen im selbst entwickelten 4680-Format, die Tesla im September 2020 vorstellte und in den kommenden Jahren im großen Maßstab auch selbst produzieren will. Laut Rawlinson gibt es eine „unangemessene Faszination“ für diese Pläne. Er verwies darauf, dass Lucid die Daten des Air immerhin mit konventionellen 2070-Zellen, wie sie Tesla für Model 3 und Model Y nutzt, erreicht habe – das Elektroauto hat die mit Abstand größte Reichweite weltweit und mit 300 Kilowatt auch die aktuell höchste Ladeleistung. Ein zuvor angekündigtes Tesla Model S Plaid plus mit vergleichbarer Reichweite wurde dagegen in diesem Juni abgesagt.
„Elektroauto-Sprung ist Fantasie“
Laut Rawlinson haben die 2170-Zellen zudem noch Potenzial für weitere Verbesserungen. Er räumte ein, dass die größeren Tesla-Batterien einen Kostenvorteil bringen könnten. Dafür sei aber schwierige Technologie erforderlich. Auf jeden Fall hält der Lucid-Chef das 4680-Format nach eigenem Bekunden nicht „für einen riesigen Sprung, der das Elektroauto transformieren wird“. Das sei für ihn nur Fantasie, erklärte er laut Reuters. Wenn die Zeit dafür reif sei, werde er ein Team einsetzen, das sich mit anderen Formaten beschäftigen werde.
Über den aktuellen Stand bei den Tesla-Plänen für eigene 4680-Zellen ist nicht viel bekannt. Beim Batterie-Tag im September verkündete CEO Musk den Aufbau einer Pilotlinie dafür in einem Gebäude neben dem Elektroauto-Werk in Fremont, die bis Ende dieses Jahres eine Kapazität von 10 Gigawattstunden erreichen sollte. Auf Nachfragen in Telefonkonferenzen berichtete er seitdem von Fortschritten, wurde aber nicht sehr konkret. Neue Informationen könnte es bei der Tesla-Hauptversammlung an diesem Donnerstag geben, denn eine vorab eingereichte Anleger-Frage zu den neuen Zellen fand mit am meisten Unterstützung.