In einer Hinsicht jedenfalls lag der Mann, der sich selbst Montana Sceptic nennt und bis zu einer Intervention von CEO Elon Musk einer der prominentesten Tesla-Kritiker auf Twitter war, goldrichtig: Man könne keine Prognosen darüber abgeben, wie sich der Aktienkurs entwickeln werde, schrieb er zu Beginn des Jahres 2020, schien sich also anders als früher nicht mehr als Leerverkäufer betätigen zu wollen. Ansonsten aber legte der Skeptiker neun konkrete Vorhersagen für die Entwicklung von Tesla vor, die meisten davon negativ – und je nach Interpretation hat sich die Mehrzahl davon als richtig erwiesen.
Skepsis zu Tesla-Produkten bestätigt sich
Tesla werde für das vierte Quartal 2019 einen Gewinn melden, nicht aber für das gesamte Jahr, sagte Montana Sceptic erstens und korrekt voraus. Außerdem werde dem Unternehmen 2020 trotzdem nicht das Geld ausgehen. Auch das war angesichts von rund 20 Milliarden Dollar Bar-Reserven bei Tesla zum Jahresende offensichtlich korrekt.
Drei weitere Negativ-Prognosen bezogen sich auf Produkte von Tesla, die erste davon auf den E-Sattelschlepper Semi und den Super-Sportwagen Roadster: Beide würden 2020 noch nicht auf den Markt kommen, schrieb Montana Sceptic, womit er richtig lag. Zu Teslas Autonomie-System FSD (Full Self-Driving) sagte er ebenfalls voraus, dieses werde 2020 nicht kommen. Über diesen Punkt könnte man streiten, denn im Oktober 2020 bekamen zumindest wenige Beta-Tester eine neue Software, die den Namen FSD trägt und tatsächlich annähernd verdient. Eine Million Teslas mit den technischen Fähigkeiten, autonom als Robotaxis herumzufahren, wie von CEO Musk angekündigt, gab es Ende des Jahres jedoch nicht.
Auch die Prognose, Tesla werde es in 2020 nicht gelingen, Produktion und Verkauf des Photovoltaik-Produkts Solar Roof rasch zu steigern, lässt sich nicht eindeutig beurteilen. Es werde bis Ende des Jahres auf nicht mehr als 100 Dächern installiert sein, schrieb Montana Sceptic dazu. Weil Tesla dazu zwischendurch meldete, in einer einzigen Woche genügend Solarziegel für 1000 Dächer in einer Woche produziert zu haben, kann dieser Teil als widerlegt gelten. Doch die Einschätzung, das Solar Roof werde vorerst ein „Nischenprodukt“ bleiben, könnte man durchgehen lassen.
Zwei weitere Prognosen entziehen sich einer Beurteilung, weil sie unter einer Bedingung standen: Wenn Tesla die Preise für Model S und Model X nicht senke, werde deren Absatz weltweit abnehmen, schrieb Montana Sceptic im Januar 2020. Doch darauf folgten drei Preisschritte nach unten bei den beiden Premium-Elektroautos. Für das Model 3 sagte er mit der gleichen Einschränkung abnehmenden Absatz in den USA und Europa voraus, aber auch hier senkte Tesla den Preis.
Gemischte Bilanz, Aktie plus 740 Prozent
Als falsch ist die nächste Prognose zu bezeichnen: Tesla werde 2020 wenig bis nichts für eine Fabrik oder Produktionsanlagen für den Pickup Cybertruck ausgeben, glaubte der Skeptiker – aber im Sommer 2020 begann der Bau der Tesla-Gigafactory in Texas, in der auch der Cybertruck entstehen soll. Außerdem sollten Analysten ihre Gewinn-Prognosen für Tesla im Gesamtjahr senken. Ob es so kam, lässt sichohne professionelle Börsen-Dienste nicht vollständig nachvollziehen. Aber zumindest in den vergangenen 30 Tagen gab es laut Yahoo Finance für Tesla ausschließlich Revisionen nach oben.
Zweimal falsch, dreimal zutreffend und viermal irgendwo dazwischen, lautet also die Prognosen-Bilanz für Montana Sceptic, was nicht einmal schlecht ist. Tesla-Fans hätten (mit Ausnahme der positiven zu Gewinn und Liquidität) zu Beginn von 2020 wahrscheinlich jede davon bestritten. Trotzdem können sie sich einstweilen ebenso beruhigt zurücklehnen wie die Aktionäre, denn die Aktie von Tesla hat 2020 bekanntlich mehr als 700 Prozent zugelegt, und ein Jahresgewinn ist dieses Mal zu erwarten. Und was an Produkten noch nicht oder nur in Ansätzen da ist, kann ja noch kommen – zumal anders als früher nicht einmal Montana Sceptic vor einem Jahr noch eine Tesla-Insolvenz vorhersagte.