Andrew Baglino hat zwar keinen so schönen Titel wie der CEO und Technoking Elon Musk oder Master of Coin und CFO Zachary Kirkhorn, ist aber als Senior Vice President Powertrain and Energy Engineering trotzdem das dritte Mitglied der obersten Führung von Tesla. Ende Mai kehrte er für eine Konferenz an die Stanford University zurück, von der er einen Abschluss als Elektro-Ingenieur hat. Dort wurde er unter anderem zu dem gewaltigen Rohstoff-Bedarf für immer mehr Batterien in Elektroautos und stationären Speichern befragt. Darin liege die grundliegende Herausforderung der nächsten Jahre, bestätigte Baglino – und ließ zum ersten Mal erkennen, dass Tesla sich eine Alternative zum aktuell besonders knappen Lithium vorstellen könnte.
Natrium-Ionen-Batterien für Tesla
Das große Rohstoff-Problem stelle sich nicht nur für Tesla, sondern für verschiedenste Hersteller, sagte Baglino im Gespräch mit zwei Professoren in Stanford und dem Publikum. Bislang sei die Versorgung für Batterie-Produktion mit Rohstoffen und verarbeiteten Materialien größtenteils nebenbei erledigt worden, für die benötigten viel größeren Mengen aber müsse jetzt alles gezielt neu aufgebaut werden. Das sei eine Chance, aber auch „irgendwie verrückt“ viel Arbeit, erklärte der Tesla-Technikvorstand.
Speziell mit Blick auf Lithium sagte Baglino, dass es derzeit den größten „Risiko-Faktor“ für fortgesetztes Batterie-Wachstum um 50 Prozent pro Jahr darstelle. Ähnlich hatte sich zuvor CEO Musk geäußert: Lithium sei der am stärksten limitierende Faktor, sodass Tesla sich möglicherweise selbst darum kümmern müsse, erklärte er nach einem heftigen Preis-Anstieg Mitte April. Es gebe viele spannende Ideen dazu, bestätigte jetzt Baglino. Aber es müsse in Zukunft nicht mehr unbedingt immer Lithium sein: „Warum nicht vielleicht Natrium?“, fragte er rhetorisch.
Tatsächlich ist Lithium unverzichtbarer Bestandteil jeder Lithium-Ionen-Batterie, also von allem, was in heutigen Elektroautos und stationären Akku-Speichern steckt. Das gilt auch dann, wenn man andere Materialien wie Nickel und Kobalt durch Eisenphosphat ersetzt – die Abkürzung LFP steht dann eben für Lithium-Eisenphosphat. Diese vergleichsweise robuste und billige Zellchemie kommt in China schon länger zum Einsatz, wurde dort von Tesla früh aufgegriffen und interessiert inzwischen auch viele andere West-Hersteller. Gegenüber Batterien mit Nickel und Kobalt hat sie den Nachteil einer geringeren Energie-Dichte. Aber zum Beispiel im Tesla Model 3 reicht die Chemie inzwischen für einen Akku mit 60 Kilowattstunden Kapazität.
Die Batterien dafür stammen von CATL aus China – und genau dieses Unternehmen machte schon vor einiger Zeit auf die Alternative aufmerksam, die im nächsten Schritt selbst das Lithium ersetzen könnte, das auch für LFP noch benötigt wird. Der Weltmarktführer kündigte an, Natrium-Ionen-Batterien zu planen, die zu Kosten bis hinunter auf 30 Dollar produziert werden könnten. Der zusätzliche Preis dafür ist eine weitere Verringerung der Energie-Dichte, doch die von CATL genannten 160 Wattstunden pro Kilogramm liegen bereits auf dem früheren LFP-Niveau. Und die Versorgung mit Natrium als dem Basis-Material gilt anders als bei Lithium als unproblematisch.
Kostensprung nach unten lockt
Das scheint jetzt auch Tesla zu locken, wie Baglino erkennen ließ. Bei Natrium-Ionen-Batterien gebe es derzeit viel Aktivität in der Forschung und bei Startups, sagte er in dem Stanford-Gespräch weiter. Bei stationärer Strom-Speicherung komme es gar nicht so sehr auf die Energie-Dichte an, erklärte er. „Vielleicht können wir für das Netz Natrium nehmen“, überlegte Baglino laut. Das würde den Bedarf, die Produktion von Lithium zu erhöhen, erheblich verringern. Bei seinem Großspeicher Megapack ist Tesla bereits auf LFP umgestiegen, und im Juli 2021 sagte CEO Musk, langfristig sollte die Chemie zwei Drittel der insgesamt verwendeten Kapazität ausmachen. Doch Natrium-Ionen-Batterien könnten einen echten Abwärtssprung bei den Kosten ermöglichen, und Tesla zeigt sich jetzt auch dafür offen.