In einer interessanten Wendung der kurzen Elektroauto-Historie überlässt Tesla das Premium-Segment in Europa seit mehr als einem Jahr kampflos der Konkurrenz: Model 3 und Model Y verkaufen sich bestens, aber für Model S und Model X gibt es nach der Unterbrechung für die Modellpflege Anfang 2021 und mehreren Verschiebungen nicht einmal mehr einen Neustart-Termin außerhalb Nordamerikas. So konnte erst Mercedes mit dem EQS sein erstes Luxus-Elektroauto auf den Markt bringen, ohne dass das Model S dabei störte, und dann BMW seinen iX ohne das Model X als Alternative. Und wohl ebenfalls noch vor den aufgefrischten Premium-Teslas dürfte ein anderes interessantes Elektroauto aus den USA in Europa zu haben sein.
Deutschland-Start von Lucid Air Mitte 2022
Dabei handelt es sich um das bislang einzige Modell von Lucid Motors, einem Unternehmen, das wenige Jahre nach Tesla gegründet wurde und heute von Peter Rawlinson geleitet wird, früher Chefentwickler für das Model S. Ähnlich wie sein ehemaliger Arbeitgeber will der nicht nur das beste Elektroauto bauen, sondern das beste Auto überhaupt. Der Lucid Air (s. Foto oben) sei Konkurrenz für die Mercedes S-Klasse, nicht für Tesla, sagte Rawlinson vor dem Start. Trotzdem wurde das Elektroauto natürlich viel mit dem Tesla Model S im ähnlichen Limousinen-Format verglichen, als Ende 2021 Serienproduktion und Auslieferungen begannen. Und für Tesla ungewohnt zeigte sich dabei, dass es in mehrerer Hinsicht tatsächlich noch besser geht.
Mit einer Reichweite von mehr als 800 Kilometern nach der US-Norm EPA setzt der Lucid Air schlicht einen neuen Maßstab. Erst wollte Tesla ihn mit einem Model S Plaid+ knapp wieder übertreffen, doch das sagte CEO Elon Musk kurz vor der angesetzten Präsentation im Juni 2021 ab. Der Air lässt sich außerdem mit bis zu 300 Kilowatt Leistung wieder aufladen, was Tesla ebenfalls noch nicht realisiert hat. Und schließlich übertrifft Lucid das Model S auch bei der Effizienz leicht, obwohl der Air durch den größeren Akku einen Gewichtsnachteil mit sich herumfährt.
In einem Realtest des US-Portals Edmunds zeigte der Lucid Air vor kurzem, dass er auch in der Praxis der Reichweiten-König ist – vor dem Mercedes EQS, der in dieser Hinsicht seinerseits das Tesla Model S übertrifft. Und in Kürze könnte sich das auch auf deutschen Autobahnen zeigen. Denn laut einem aktuellen Bericht bestätigte ein Lucid-Sprecher, dass in diesem Juni oder Juli die Air-Exporte nach Europa beginnen sollen. Nach früheren Angaben solle Deutschland das erste Land in dieser internationalen Expansion sein. In diesem Februar hatte ein Lucid-Brief an Air-Reservierer den nahenden Start schon angedeutet.
3 Motoren wie bei Tesla Model S Plaid geplant
Damit dürfte nach dem Mercedes EQS auch der Lucid Air in Deutschland und dann weiteren europäischen Ländern sein, bevor das erste aufgefrischte Model S hier eintrifft. Möglicherweise kommt dem Tesla auch noch der vergangene Woche für Ende 2022 vorgestellte BMW Siebener als Elektroauto i7 zuvor. Der macht allerdings bei dem neuen Reichweiten-Rennen nicht mit, sondern reiht sich trotz größerem Akku mit bis zu 625 WLTP-Kilometern etwas unter dem Wert ein, den das frühere Model S zuletzt erreichte.
Lucid dagegen scheint sich zusammen mit dem Europa-Start vorgenommen zu haben, Tesla einen weiteren Vorteil im Elektroauto-Quartett abzunehmen: Noch beschleunigt das neue Model S Plaid mit drei Motoren schneller als die in dieser Hinsicht beste Air-Version. Laut dem Bericht von Autocar arbeitet jetzt aber auch Lucid an einer Hinterachse mit zwei Antrieben, die dann bis zu 1360 PS mobilisieren soll und zusammen mit der vorderen gut 1600 PS. Das würde weit über dem Wert des Plaid-Antriebs bei Tesla mit insgesamt etwas über 1000 PS liegen und nach Einschätzung der Zeitschrift genügen, um mit dessen Beschleunigung von 0-60 Meilen pro Stunde innerhalb von 1,9 Sekunden gleichzuziehen oder sie sogar zu unterbieten.