Die soeben veröffentlichten Geschäftszahlen des Elektroauto-Herstellers Lucid in den USA sind unter anderem eine Erinnerung daran, wie schwer es Tesla in seiner Anfangszeit hatte: Statt 20.000 will Lucid in diesem Jahr nur noch 12.000-14.000 Exemplare seines Luxus-Elektroautos Air ausliefern, und seit dem Start im Herbst 2021 waren es nur gut 300. Ähnlich bescheiden war Tesla vor zehn Jahren mit dem Model S gestartet, aber CEO Elon Musk zeigte sich jetzt wenig solidarisch mit dem jüngeren Unternehmen.
Tesla mit Riesen-Reichweite abgesagt
Am späten Dienstag nach US-Zeit hackte zunächst einer von Musk engen Twitter-Followern ein wenig auf Lucid herum. Das von dem früheren Chef-Entwickler für das Model S geleitete Unternehmen möge das erste Elektroauto mit 500 Meilen Reichweite ausgeliefert haben. Tesla aber werde als erstes eines in Serie produzieren, schrieb @WholeMarsBlog in einer Anspielung auf die bislang niedrigen Air-Zahlen. Darauf stieg der CEO ein, indem er zum einen die Leistung von Lucid schmälerte. Zum anderen erweckte er den Eindruck, nicht an bisherigen Tesla-Aussagen zu höheren Reichweiten festhalten zu wollen.
Tesla hätte schon vor zwölf Monaten ein Model S mit sogar 600 Meilen Reichweite produzieren können, erklärte Musk in seiner Twitter-Antwort. Seiner Meinung nach wäre dabei aber ein insgesamt schlechteres Produkt herausgekommen, weil man zu 99,9 Prozent der Nutzungszeit nicht benötigte Batterie-Masse mit sich herumfahre. Das wirke sich negativ auf Beschleunigung, Fahrverhalten wie Effizienz aus, schrieb der Tesla-Chef. Selbst die bis zu gut 400 Meilen Reichweite für das heutige Model S seien mehr, als fast jeder nutzen werde.
We could’ve made a 600 mile Model S 12 months ago, but that would’ve made the product worse imo, as 99.9% of time you’d be carrying unneeded battery mass, which makes acceleration, handling & efficiency worse. Even our 400+ mile range car is more than almost anyone will use.
— Elon Musk (@elonmusk) March 2, 2022
Tatsächlich hatte Musk im Juni 2021 mitgeteilt, ein zuvor angekündigtes und bestellbares Model S Plaid+ doch nicht auf den Markt zu bringen. Dessen Rekord-Beschleunigung von unter 2 Sekunden auf 60 Meilen pro Stunde erbte das Model S Plaid ohne Plus-Zusatz, von dem wenig später die ersten Exemplare ausgeliefert wurden. Doch auch die Reichweite des Plaid+ hätte spektakulär sein sollen, mit 520 Meilen noch einen Hauch größer als die des Lucid Air. Und hier legte Tesla mit dem neuen Model S letztlich gar nicht nach, sondern blieb bei den mit dem Vorgänger erreichten gut 400 Meilen nach der US-Norm EPA.
Keine Antwort zu Roadster und Cybertruck
Dass der CEO jetzt alles darüber geradezu abtat, weckte zum Teil die Befürchtung, auch für noch kommende Teslas würden frühere Reichweiten-Aussagen nicht mehr gelten. Beim Cybertruck ist das streng genommen sogar bereits so: Im Oktober 2021 verschwanden die meisten Angaben zu dem zuvor bis Ende des Jahres geplanten E-Pickup von der Tesla-Website. Für das Top-Modell waren zuvor mehr als 500 Meilen Reichweite angegeben, aus denen dann ein „bis zu“ wurde. Auch beim Roadster strich Tesla wenig später die Preise im Web, behielt aber die Daten zu Beschleunigung (1,9 Sekunden bis 60 Meilen pro Stunde) und Reichweite (620 Meilen) bei.
Diese Daten scheinen seit der Vorstellung des neuen Tesla Roadster im November 2017 unverändert zu sein. Aber auf Nachfragen zu dem Reichweiten-Aspekt ging der Tesla-CEO jetzt nicht ein, ebenso wenig wie auf Twitter-Nutzer, die wissen wollten, wie es denn um die des Cybertruck stehe. Dass fast niemand mehr als 400 Meilen Reichweite bis zum nächsten Aufladen wirklich und häufig braucht, mag stimmen, und wurde in den Reaktionen mehrmals erwähnt. Allerdings ließen auch mehrere Kommentatoren erkennen, dass sie mehr als das bisherige Tesla-Maximum vielleicht nicht unbedingt brauchen, aber trotzdem wollen.