Bild: Tesla (Produktion in deutscher Gigafactory)
Um die Eröffnung der Gigafactory in Grünheide bei Berlin herum war viel davon die Rede, dass Deutschland auch sonst „Tesla-Tempo“ bei der Realisierung von Projekten für eine klimafreundlichere Wirtschaft erreichen könne und müsse. Inzwischen bevorzugt zumindest die Bundespolitik den Ausdruck Deutschland-Geschwindigkeit, der aber für die gleiche Idee steht. Unter anderem wird darüber nachgedacht, zur Beschleunigung die Beteiligung der Öffentlichkeit vor Genehmigungen einzuschränken. Laut einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Tesla-Projekt könnte das aber Misstrauen in die Demokratie verstärken.
Deutsche Tesla-Fabrik als Fallstudie
Konflikte um die Genehmigung der deutschen Tesla-Fabrik gab es im Vorfeld reichlich und gibt es immer noch, und Manfred Kühn vom Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung hat sie in einem aktuellen Fachaufsatz analysiert. Demnach spielten neben Interessen-, Werte- und Standort-Konflikten auch Verfahrenskonflikte eine Rolle, die dazu führen können, dass Planungen von der Bevölkerung nicht akzeptiert werden. Grundsätzlich könne derlei Uneinigkeit in einer Demokratie produktiv sein, erklärt der Raumforscher, doch im Fall von Tesla habe der Umgang damit die Fronten eher verhärtet.
Laut der Gigafactory-Fallstudie haben hoher Zeitdruck durch Tesla und Landespolitik, Defizite bei der Öffentlichkeitsbeteiligung und intransparente Kommunikation durch das Unternehmen die Konflikte um das Projekt verschärft. Inhaltliche Streitfragen wie beispielsweise über Trinkwasser-Schutz seien von Verfahrenskonflikten überlagert worden. Gegner des Projekts hätten dadurch das Gefühl bekommen, dass es den Befürwortern um Macht ging, nicht um die Sache. Das Misstrauen gegenüber den zuständigen Behörden und letztlich Demokratie insgesamt habe dadurch zugenommen.
Konflikte prägten Gigafactory-Erörterung
Als besonders misslungen stellt der Forscher die Erörterung von Einwendungen gegen die Tesla-Fabrik dar, wie sie für Projekte zur Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz vorgeschrieben ist. Das ist aber weniger die Schuld von Tesla, Behörden oder der Gegenseite als eine Folge der Regeln dafür: Laut Kühn bestand bei der Bevölkerung die Erwartung, bei dem Termin könne eine „demokratische Debatte“ über das Vorhaben geführt werden. Das Landesumweltamt dagegen habe im Vorfeld darauf hingewiesen, dass eine öffentliche Diskussion über das Für und Wider bei der Erörterung nicht vorgesehen sei.
Dadurch wurde das Aufeinandertreffen von Tesla, Behörden und Einwendern im September 2020 in Erkner nahe Grünheide selbst konfliktreich – es dauerte letztlich acht statt der angesetzten drei Arbeitstage und war von Zwischen- und Ordnungsrufen sowie Streit um Kleinigkeiten geprägt. Anschließend war nicht etwa von aufgelösten Konflikten die Rede, sondern laut Kühn von einem „kleinen Volksaufstand“ oder Showdown. Später fanden wegen Antragsänderungen durch Tesla und einem Formfehler zwei weitere Erörterungen statt, aber nur noch in einem Online-Verfahren.
Tesla-Parallelen zu Flughafen und Stuttgart 21
Auf die wenig konstruktive Präsenz-Erörterung folgten laut dem Forscher ebenso konträre Reaktionen: Die Gegner hätten hinterher mehr demokratische Beteiligung gefordert, die Verfahrensträger dagegen die Abschaffung solcher Termine. Allgemeine Schlüsse kann man aus der Tesla-Erfahrung nach Kühns Einschätzung nur begrenzt ziehen, weil das Projekt ungewöhnlich groß sei und Elon Musk als der CEO dahinter stark polarisiere. Dennoch lasse es sich mit dem neuen Berliner Flughafen und dem Bahnhof-Umbau Stuttgart 21 vergleichen, bei denen ebenfalls keine Standort-Alternativen geprüft worden seien – was in der Studie als „wesentliche Ursache für die eskalierenden Konflikte“ bezeichnet wird.
Als allgemeine Abhilfe schlägt der Forscher vor, nicht etwa die Beteiligung der Öffentlichkeit einzuschränken. Lieber sollen Behörden mehr Personal bekommen und die Kommunikation verbessert werden. Zusätzlich spricht sich Kühn für Versammlungen aus, bei denen vor der Stellung von konkreten Anträgen über Bedenken diskutiert werden kann, wie es den Erwartungen der Bevölkerung entspreche. Zumindest aber solle bei zukünftigen Projekten Transparenz über den Grad der Ergebnis-Offenheit und die zu erwartende Bürger-Partizipation hergestellt werden, um Enttäuschungen und damit Demokratie-Vertrauensverlust zu vermeiden.