Bild: TÜV-Verband
Angesichts langer Lieferzeiten bei vielen gefragten Elektroautos einschließlich inzwischen des Model 3 von Tesla könnte man meinen, ihr Marktanteil würde noch viel schneller zunehmen, wenn sie nur früher verfügbar wären. Auch die Bundesregierung will, dass spätestens 2035 nur noch lokal emissionsfreie Autos neu zugelassen werden und schon 2030 mindestens 15 Millionen davon auf deutschen Straßen haben. Eine Umfrage des TÜV-Verbandes spricht jetzt allerdings dafür, dass die Elektroauto-Begeisterung in der Bevölkerung noch nicht besonders ausgeprägt ist.
Elektroauto für 52% unwahrscheinlich
In diesem April hatten reine Elektroautos einen Anteil von 12,3 Prozent an den (gegenüber dem Vorjahr gesunkenen) Neuzulassungen in Deutschland, weniger als im Durchschnitt des Jahres 2021 mit 13,6 Prozent. Die absolute Zahl ging zum ersten Mal seit langem sogar etwas zurück. Denn bei Elektroauto-Herstellern in Europa kam zu chronischer Chip-Knappheit der russische Angriff auf die Ukraine hinzu, zu Beginn jedes Quartals gab es wie üblich nicht viel Tesla-Nachschub aus China, und die deutsche Gigafactory trug ebenfalls noch nicht viele Model Y bei.
Die Nachfrage dürfte also viel höher gewesen sein als das Angebot, wie zum Beispiel Tesla und Volkswagen ingesamt auch bestätigen. Dramatisch hoch aber ist das deutsche Elektroauto-Interesse nach den Ergebnissen der am Montag veröffentlichten TÜV Mobility Studie 2022 offenbar nicht: Von 1000 dafür repräsentativ befragten Personen gaben nur 26 Prozent an, es sei „sehr“ oder „eher“ wahrscheinlich, dass ihr nächstes Fahrzeug ein Elektroauto werde. Mit 52 Prozent entschieden sich doppelt so viele für die Antwort-Möglichkeiten „eher unwahrscheinlich“ und „sehr unwahrscheinlich“. Die übrigen 22 Prozent waren nicht sicher oder wollten kein Auto.
Eine Mehrheit der Deutschen hat also derzeit keine Absicht, sich für ein Elektroauto zu entscheiden. Der TÜV-Verband bezeichnet das als relativ geringe Kaufwahrscheinlichkeit und führt als Gründe dafür „zahlreiche Barrieren“ auf, deren Bedeutung für Verbraucher ebenfalls abgefragt wurde.
Reichweite- und Lade-Bedenken nehmen zu
Mit 49 Prozent nannte sogar ein leicht höherer Anteil als vor zwei Jahren zu geringe Reichweite als Faktor, der gegen eine Elektroauto-Anschaffung spreche. Noch 46 Prozent fanden die Anschaffungskosten zu hoch – dieser Punkt hatte 2020 mit 49 Prozent ganz oben gestanden. Zu wenige oder zu schlecht erreichbare Ladestationen wurden von 44 Prozent genannt, was 5 Prozentpunkte mehr waren als 2020. Zwei Praxis-Probleme haben also ein Bedeutung gewonnen. Doch mit 42 Prozent der Teilnehmer zeigten sich auch mehr als vor zwei Jahren (38 Prozent) skeptisch, ob Elektroautos wirklich umweltfreundlicher sind.
Bei den Kosten kann der Staat unterstützen, indem er den Kauf von Elektroautos subventioniert. Das ist in Deutschland in bislang noch großzügiger Form der Fall, und zumindest bis 2025 sollen reine Batterie-Fahrzeuge weiter gefördert werden, wenn auch mit sinkenden Sätzen (Pläne für eine drastische Erhöhung dementierte Bundesverkehrsminister Volker Wissing vor kurzem). Gegen Reichweiten-Angst dagegen könnte wohl am ehesten Praxis-Erfahrung helfen – aber nach den TÜV-Angaben hat sie mit zunehmender Elektroauto-Verbreitung ja sogar leicht zugenommen, und in noch stärkerem Maß gilt das für die Lade-Bedenken. Hersteller und Regierung sollten also wohl nicht darauf vertrauen, dass sich Elektroautos auch nach dem Ende der akuten Knappheit wie von selbst verkaufen.