Die deutsche Elektroauto-Vermietung nextmove berichtet von einer bislang nicht bekannten Gefahr beim langsamen Laden von Elektroautos. Nachdem er selbst im Urlaub einen Stromschlag an seinem Ioniq 5 bekommen hatte, ging Geschäftsführer Stefan Moeller (s. Foto) dem elektrisierenden Erlebnis nach und stellte unterstützt von Experten fest: Bei vielen heute verbreiteten Elektroautos besteht die Gefahr, dass es ebenfalls dazu kommt. Dabei sollen Fahrzeuge von Tesla sogar besonders riskant sein, während Volkswagen besser aufpasst und Renault und Smart Besitzer ihrer Elektroautos am besten schützen.
Elektroauto-Risiko durch fehlende Erdung
Das Problem und die Gefahr liegen in der Tatsache, dass Steckdosen nicht überall so vorschriftsmäßig geerdet sind, wie sie es sein sollten, um das Abfließen von Strom durch Menschen statt Kabel zu verhindern. Das gilt für Deutschland, wo die Erdung schon seit Jahrzehnten vorgeschrieben, aber trotzdem nicht ausnahmslos umgesetzt ist, und erst recht für manche Urlaubsländer. Nextmove-Geschäftsführer Moeller etwa erwischte es in den Ferien in Kroatien, als er barfuß den Kofferraum des ladenden Ioniq 5 einräumte und dabei mit der Hand an das Kofferraum-Schloss kam.
Von außen kann man Steckdosen nicht ansehen, ob die Verkabelung dahinter auch eine Erdung umfasst – und ob die weitere Erdung des Hauses korrekt ausgeführt wird, wie ein Elektro-Ingenieur nextmove erklärte. Ein Prüfgerät für wenige Euro schafft hier Abhilfe. Aber dazu muss man sich des Problems erst einmal bewusst sein, wozu nextmove nach eigener Aussage mit der Video-Aufklärung beitragen will.
Gleichzeitig bestünde für Elektroauto-Hersteller die Möglichkeit, mit ein wenig Extra-Aufwand auch unwissende Kunden zu schützen. Rechtlich laden sie laut nextmove ohne jede Verantwortung ab, indem sie in ihren Handbüchern darauf hinweisen, dass die genutzte Steckdose normgerecht und unbeschädigt sein muss. Aber wie Renault, Smart und eigentlich auch Audi zeigen, ließe sich das Risiko auch technisch eliminieren. Das kompakte Elektroauto Zoe verweigert laut den nextmove-Tests Lade-Versuche an nicht geerdeten Steckdosen komplett, ebenso der smart mit ähnlicher Lade-Technik. Beim Audi e-tron GT ist es nicht anders, allerdings kann man hier die Erdungsüberwachung nach einem Hinweis auf dem Display seines Heim-Ladekabels abschalten.
Volkswagen hat, wie Tests mit dem Elektro-SUV ID.4 ergaben, zumindest halb an unwissende oder leichtsinnige Kunden gedacht. Das mitgelieferte Lade-Kabel (eigentlich wie bei den anderen Modellen eine Art mobiler Adapter) erkennt fehlende Erdung ebenfalls und verweigert dann den Dienst. Man kann den ID.4 aber auch mit Hilfe von fremden Kabeln langsam laden, und dann stellte nextmove ohne Erdung wieder eine Spannung auf nackten Karosserie-Teilen fest.
Stromschlag an der Tesla-Tür
Teslas etwas großspurig Universal Mobile Connector (UMC) genannte Lösung für Laden an normalen Steckdosen wiederum hält keinen solchen Schutz bereit. Bei Model 3 und Model Y maß nextmove bis zu 144 Volt und 1,5 Milliampere. Laut Geschäftsführer Moeller kann es bei diesen Elektroautos zudem relativ leicht passieren, dass Strom über Nässe von nackten Metall-Teilen bis an den Türgriff gelangt. Man kann also einen Schlag bekommen, wenn man seinen ladenden Tesla öffnen will. Einem Mieter eines Model S ist genau das schon einmal passiert, wie er in dem Video berichtet.
Aktualisierung: nextmove-Geschäftsführer Moeller berichtet von mehreren Hinweisen von Kommentatoren, laut denen der UMC von Tesla eine Erdungserkennung hat. Tatsächlich ist dies auch in den Handbüchern sowohl für UMC1 als auch die neue Generation UMC2 so angegeben. Laut Moeller hat die Vermietung aber mit einem UMC2 von Dezember 2020 und einem von diesem September getestet, die beide keinen Fehler erkannt hätten.
Die von nextmove ermittelten Spannungen und Stromstärken sind nicht dramatisch hoch. Geschäftsführer Moeller ließ es sich nicht nehmen, nach dem ersten Ioniq-Schock auch die anderen Elektroautos durchzutesten, und hat es ohne in dem Video erkennbare Schäden überstanden. Das Gefühl sei wie beim Anfassen eines elektrisch gesicherten Weidezauns, erzählte er teslamag.de, aber weniger heftig. Damit überhaupt Strom durch eine Person fließt, darf sie zudem nicht vom Boden isoliert sein – trockene Schuhe würden also schon helfen. Aber ein Kardiologe sagte nextmove, grundsätzlich gelte bei Wechselstrom schon eine Berührungsspannung von 50 Volt bei Erwachsenen und 25 Volt bei Kindern als Stromunfall mit einer möglicher Gesundheitsgefährdung. Um die 15 Euro für einen Steckdosen-Prüfer könnten also für verreisende Elektroauto-Fahrer eine lohnende Investition sein, solange nicht alle Hersteller für sie vorgesorgt haben.