Bild: Volkswagen (Blume bei Antritt als Konzern-Chef)
Immerhin muss Herbert Diess die Prognose nicht mehr selbst zurücknehmen oder verteidigen: Zum letzten Mal in diesem Mai sagte der frühere VW-Chef, bis 2025 könne der deutsche Auto-Konzern den Elektroauto-Marktführer Tesla in diesem Bereich überholen. Im August wurde Diess vom Porsche-Chef Oliver Blume abgelöst, der kurz darauf versicherte, Volkswagen setze einschließlich Porsche weiterhin „voll“ auf Elektromobilität und werde das Tempo möglicherweise noch erhöhen. Erst einmal soll Blume jetzt aber kräftig bremsen.
Software und neues VW-Elektroauto später
Offenbar anlässlich eines Schreibens von Blume an die VW-Belegschaft hörten sich Medien bei dem riesigen Konzern um und konnten Näheres über die CEO-Ankündigung berichten, alle geplanten Projekte und Investitionen noch einmal zu überprüfen. Demnach sieht es so aus, als würde das 2020 zunächst als „Tesla-Jäger“ von Audi gehandelte VW-Elektroauto Trinity auch 2026 noch nicht kommen, sondern erst Ende des Jahrzehnts. Auch die bereits chronisch verspätete Software-Tochter Cariad soll mehr Zeit bekommen, und eine spezielle Elektroauto-Fabrik in Wolfsburg grundsätzlich in Frage stehen.
Der neue Chef Blume räume auf, fasste das Manager-Magazin am Donnerstag die Neuigkeiten aus Wolfsburg und anderen Teilen der VW-Welt zusammen. Ein Vertrauter von ihm habe erklärt, dass kein Stein auf dem anderen bleibe. Der Vorgänger Diess habe „das größte Desaster seit vielen Jahrzehnten“ hinterlassen.
Die Entscheidung, in Cariad die meisten Software-Fachkräfte des Konzerns zusammenzubringen, damit sie dort leistungsfähige Software für das Elektroauto-Zeitalter entwickeln, hatte Blume im September als „absolut richtigen Weg“ bezeichnet. Richtig voran kommt die Tochter aber offenbar nicht. Laut Manager-Magazin ließ Blume überprüfen, was sie alles schaffen soll und kann. Im Ergebnis solle jetzt die (ebenfalls noch nicht fertige) Version 1.2 der E3-Software länger genutzt werden und 2.0 erst 2029 verfügbar werden.
Fabrik nach Tesla-Vorbild in Frage
Das ist ein Problem vor allem für die Kernmarke VW, die von Audi die Arbeit an dem „Tesla-Jäger“ Artemis übernahm und daraus bis 2026 das Flaggschiff-Elektroauto Trinity machen wollte. Doch dafür bräuchte sie laut dem Bericht die 2.0-Software, die jetzt zugunsten von mehr 1.2 (entwickelt vor allem für Audi und Porsche) noch später kommen soll. Entsprechend würde sich das Trinity-Elektroauto verzögern – das im Übrigen wegen besserer Verkaufschancen inzwischen von einer flachen Limousine zu einem Cross-SUV geworden sei.
Nach dem Manager-Magazin berichtete auch die Nachrichten-Agentur Bloomberg, dass Blume Trinity wegen der neuen Software-Pläne Richtung Ende des Jahrzehnts verschieben will. Ebenfalls in Frage stehen soll der Bau einer neuen Fabrik speziell für neue Elektroautos, für die sich zuvor Diess stark gemacht hatte; sie sollte ungefähr so effizient werden wie die Gigafactory von Tesla in Grünheide bei Berlin. Zum Teil müssten die vom Blume-Vorgänger ausgegebenen Ziele zurechtgestutzt werden, weil sie unrealistisch gewesen seien, sagte ein Insider der Agentur.
Vielleicht wäre der Ex-Chef von VW also tatsächlich bei Tesla gut aufgehoben. Dessen CEO Elon Musk zeigte zuletzt eine gewisse Amtsmüdigkeit in Verbindung mit Zeitmangel durch die Twitter-Übernahme und hat laut einem Board-Mitglied vor kurzem einen möglichen Nachfolger für sich selbst als Tesla-CEO identifiziert.