Im Konflikt zwischen Volkswagen-Chef Herbert Diess und der Arbeitnehmer-Seite um die Zukunft der Produktion am Stammsitz Wolfsburg (s. Foto) scheint sich ein Kompromiss abzuzeichnen – verkündet wurde er aber nicht von Diess, sondern von VW-Markenchef Ralf Brandstätter, was ein weiteres Schlaglicht auf die Innen-Politik in dem jahrzehntealten Autokonzern wirft. Diess hatte die Belegschaft mit der Aussage verschreckt, der Umstieg auf Elektroautos könne bis zu 30.000 alte Jobs in Wolfsburg kosten. Brandstätter sagte zu dem Thema jetzt in einem Interview, am besten für den Elektroauto-Hoffnungsträger Trinity sei ein gänzlich neues Werk in derselben Stadt bis 2026, und das Wolfsburger Werk selbst könne in der Zwischenzeit eines der ID-Modelle produzieren.
Tempo wie in deutscher Tesla-Fabrik
Anders als Diess erwähnte Brandstätter in dem Interview nicht ständig Tesla, aber auch so wird klar, wer für die aktuelle Aufregung bei Volkswagen verantwortlich ist. Diess hatte dazu vorher unter anderem erklärt, in der neuen Tesla-Gigafactory in Grünheide bei Berlin werde die Produktion eines Autos voraussichtlich nur 10 Stunden dauern, während VW in Zwickau 30 Stunden dafür brauche. Ihm sei klar, dass seine vielen Tesla-Vergleiche manche Leute nerven, aber wenn er nicht mehr von dieser Bedrohung spreche, sei auch niemandem geholfen, schrieb Diess auf LinkedIn.
Auch in Wolfsburg mit seinen rund 60.000 VW-Beschäftigten muss sich also etwas ändern. Brandstätter sagte jetzt der Süddeutschen Zeitung, seine präferierte Lösung sei der Neubau eines Werks in der Nähe des bisherigen. Damit würde es möglich werden, ein Auto (konkret zunächst ein als Trinity bezeichnetes Elektroauto im Passat-Format) innerhalb von 10-11 Stunden zu bauen – also ungefähr im Tesla-Tempo. Bei der Realisierung will sich Brandstätter aber deutlich mehr Zeit lassen: Als Zieljahr nannte er 2026, während es Tesla vielleicht noch schafft, vor Ende dieses Jahres und damit innerhalb von kaum mehr als zwei Jahren nach der ersten Ankündigung die Produktion in seiner deutschen Fabrik zu starten.
Auch die angepeilte Dimension des möglichen neuen VW-Werks nur für Elektroautos entspricht in etwa der bei Tesla: Brandstätter sprach von einem Flächenbedarf von 400 Hektar, die sich „schon finden“ würden. Das Tesla-Grundstück in Grünheide bei Berlin ist etwa 300 Hektar groß und bietet noch reichlich Platz für weitere Bau-Abschnitte. CEO Musk will, dass dort vor Ende 2022 eine Produktionsrate von mindestens 250.000 Model Y pro Jahr erreicht ist, vorzugsweise näher am Doppelten.
VW-Stammwerk könnte ID-Elektroauto bekommen
Ein Neubau in Wolfsburg nach dem Vorbild der Tesla-Fabrik ist laut Brandstätter die von ihm bevorzugte Option, aber nicht die einzige. Alternativ sei denkbar, in das Stammwerk selbst bei laufendem Betrieb eine Elektroauto-Fertigung zu integrieren. In dem Neubau-Modell würde es erst 2030 teilweise umgestellt. Besonders schnell werden wohl beide Varianten nicht zu realisieren sein.
Für das Trinity-Elektroauto ab 2026 dürfte es reichen, aber damit bleibt eine mögliche Lücke für den Rest von Wolfsburg, wenn die Verbrenner-Verkäufe weiter schnell abnehmen. Der Betriebsrat fordert deshalb, kurzfristig eines der ID-Modelle von VW im Stammwerk zu produzieren. Auch hier scheint Brandstätter mit sich reden zu lassen: Grundsätzlich sei das möglich, sagte er jetzt der SZ. Aber angesichts von Umrüstungskosten im dreistelligen Millionen-Bereich müsse man mit der Belegschaftsvertretung eine Lösung finden, um das wirtschaftlich zu gestalten.