Die Welle von Beschwerden wegen so genannter Phantom-Bremsungen durch das Autopilot-System in Tesla Model 3 und Model Y bei der US-Behörde NHTSA reißt nicht ab – und am Donnerstag teilte sie mit, eine offizielle Voruntersuchung dazu eröffnet zu haben. Nachdem teslamag.de Anfang Februar allein 100 davon innerhalb von vier Tagen gezählt hatte, schreibt die NHTSA jetzt von insgesamt 354 Beschwerden in den vergangenen neun Monaten. Im Rahmen der Voruntersuchung will sie sich näher damit beschäftigen, was zunächst geschätzte 416.000 Tesla Model 3 und Model Y aus den Jahren 2021 und 2022 betrifft.
Welle von Tesla-Beschwerden nur in USA
Bei der Nutzung von Autopilot-Funktionen einschließlich des adaptiven Tempomaten könne es zu unerwarteten starken Bremsungen kommen, ohne Vorwarnung oder erkennbaren Grund und oft mehrfach bei derselben Fahrt, fasst die NHTSA die Beschwerden zusammen. Dieses Tesla-Verhalten ist aus Europa schon länger bekannt und wird dort wie in den USA als Phantom-Bremsung bezeichnet. Zuletzt hat es auf dieser Seite des Atlantik aber keine derartige Welle von Beschwerden darüber gegeben.
Insofern liegt der Verdacht nahe, dass US-spezifische Faktoren dazu beitragen, zumal auch die Zeiten passen: Im Mai 2021 erklärte Tesla auf seinen Support-Seiten, Model 3 und Model Y für Nordamerika seien ab jetzt nicht mehr mit einem Radar-Sensor ausgestattet. Das hatte CEO Elon Musk zuvor als nötigen Schritt auf dem Weg zum autonomen Fahren angekündigt: Kameras seien viel präziser als Radar, weshalb Tesla auf „vision only“ setze (das Bild oben zeigt die Umfeld-Abdeckung durch Kameras und Ultraschall). Aus Europa oder China wurde bislang aber nicht bekannt, dass Model 3 und Model Y ohne Radar ausgeliefert würden.
Die NHTSA erwähnt in ihrer Mitteilung zu der Preliminary Investitgation keine möglichen Ursachen. Doch die Angabe von 354 Phantom-Beschwerden in neun Monaten spricht dafür, dass sie im vergangenen Mai begannen. Zudem geht es laut der Behörde nur um Model 3 und Model Y von 2021 und 2022, also größtenteils nach der Radar-Abschaffung im vergangenen Mai.
Autopilot-Untersuchung kann in Rückruf enden
Nach Angaben der NHTSA beginnen ihre meisten Untersuchungen auf der Ebene einer Preliminary Investigation wie jetzt zu den beiden Tesla-Modellen. Dabei gehe es darum, zunächst begrenzte Informationen über ein mögliches Problem zu sammeln, wofür vier Monate angesetzt sind. Das Ergebnis davon kann ein Abschluss, eine tiefere Untersuchung über 12 Monate oder ein Rückruf sein. Hersteller haben in diesen Verfahren aber bis zuletzt die Möglichkeit, sich zu einem freiwilligen Rückruf zu entscheiden, wenn absehbar wird, dass die Behörde ihn ansonsten verfügen würde. So war es zum Beispiel beim jüngsten Tesla-Rückruf von 578.607 Model 3 bis Model X Anfang Februar, bei dem es um das vergleichsweise unbedeutende Problem ging, dass ihre Außenlautsprecher andere als zur Fußgänger-Warnung erlaubte Geräusche abspielen.