Die von Tesla-CEO Elon Musk in diesem März angekündigte Umstellung des Autopilot-System auf die reine Auswertung von Kamera-Bildern hat zu Beginn dieser Woche einige Verwirrung ausgelöst. Zunächst verschwand die Erwähnung des Radar-Sensors nur von den Bestell-Seiten für Model 3 und Model Y in den USA, dann auch bei Model S und Model X sowie in der allgemeinen Autopilot-Beschreibung im Web. In der Nacht auf Mittwoch dann kamen offizielle Informationen von Tesla dazu. Sie laufen darauf hinaus, dass Käufer neuer Model 3 und Model Y in den USA vorerst nur eingeschränkte Autopilot-Funktionen haben.
Model 3 und Model Y ohne Smart Summon
Unter der Überschrift „Übergang zu Tesla Vision“ erklärt Tesla jetzt auf seinen US-Supportseiten, was es damit auf sich hat. Model 3 und Model Y für den nordamerikanischen Markt (also auch Kanada), die im Mai ausgeliefert werden, seien nicht mehr mit einem Radar-Sensor ausgestattet. Stattdessen seien sie die ersten Teslas, bei denen der Autopilot, die weiter gehende Option Full Self-Driving und bestimmte aktive Sicherheitsfunktionen mit Hilfe von Kamera-Daten und deren Verarbeitung in neuronalen Netzen realisiert würden.
In reinen Kamera-Systemen für autonomes Fahren liegt laut CEO Musk die Zukunft, doch die erste Version bei Tesla bedeutet erst einmal einen Rückschritt. Die Funktion Autosteer werde zunächst nur bis maximal 75 Meilen pro Stunde (rund 120 km/h) funktionieren und außerdem einen größeren Abstand zum vorausfahrenden Auto erfordern, heißt es auf der neuen Support-Seite. Auch die Funktionen Smart Summon (Fahren ohne Mensch am Steuer auf Parkplätzen als Teil der FSD-Option) und Notfall-Spurhalteassistent seien bei der Auslieferung möglicherweise deaktiviert.
Pure vision Autopilot is now rolling out in North America. There will be an update of this production release in 2 weeks, then FSD beta V9.0 (also pure vision) a week later. FSD subscription will be enabled around the same time.
— Elon Musk (@elonmusk) May 26, 2021
„In den kommenden Wochen“ würden die Funktionen mit Software-Updates per Funk „wiederhergestellt“, schreibt Tesla weiter, kündigt also zumindest die baldige Rückkehr auf den früheren Stand an. CEO Musk stellte die erste Aktualisierung auf Twitter in zwei Wochen in Aussicht. Eine weitere Woche später werde auch die neueste Version V9 der Beta-Software namens FSD kommen, bei der nach früheren Aussagen von ihm keine Radar-Daten mehr berücksichtigt werden. Musks Zeitangaben für Autopilot-Fortschritte werden auch von Fans immer weniger ernst genommen, in diesem Fall stellte sich allerdings sein KI-Chef Andrej Karpathy dahinter, indem er der Nachricht ein Twitter-Like gab.
Tesla-Autopilot für Europa mit Radar
Damit sind einige Fragen rund um die Radar-Entscheidung beantwortet. So gilt der Verzicht auf den Sensor einstweilen nur für Nordamerika und dort nur für Model 3 und Model Y. Alle Model S und Model X (beide werden seit Ende 2020 wegen einer Modellpflege neu nicht mehr ausgeliefert, die ersten Model S sollen jetzt wieder Anfang Juni kommen) dagegen sind weiterhin damit ausgestattet, ebenso wie Model 3 und Model Y für alle anderen Märkte. Als Grund für die Differenzierung innerhalb Nordamerikas erklärt Tesla, es sei sinnvoll, zunächst die eigenen Volumen-Elektroautos umzustellen, um rasch viele Daten sammeln zu können. Außerhalb der Heimat-Region dagegen will Tesla weiter auch mit Radar arbeiten, „bis wir den angemessenen Zeitpunkt festlegen, um diese Fahrzeuge auf Tesla Vision umzustellen“.
Wohl zum ersten Mal überhaupt können europäische Tesla-Besitzer also damit rechnen, dass ihr Autopilot-System zumindest bei Teilaspekten mehr leistet als der in den USA. Die Kehrseite davon ist allerdings, dass Tesla seine Autopilot-Software in der Version mit Radar-Berücksichtigung wohl nicht mehr stark weiterentwickeln wird. Und wenn zur Auslieferung in Nordamerika ohne Radar jetzt nicht einmal alle Funktionen für diese Region richtig im Griff sind, dürfte die erste reine Kamera-Software für Teslas Autopilot in Europa erst recht auf sich warten lassen.