Wenn sich ein Standard erst einmal etabliert hat, kann es schwierig sein, ihn wieder loszuwerden, selbst wenn technischer Fortschritt längst bessere Lösungen ermöglichen würde. So wird das Bordnetz sogar neuester Elektroautos bei einer Spannung von 12 Volt betrieben, obwohl seit Jahren über den Schritt zu 48 Volt diskutiert wird, der für manche modernen Systeme ohnehin parallel nötig ist. Tesla aber baut mit dem Cybertruck jetzt sein erstes Elektroauto, dessen Bordnetz komplett auf die höhere Spannung ausgelegt ist – und könnte damit zum Vorbild werden.
Cybertruck erster Tesla mit 48 Volt
Manches bei der Cybertruck-Veranstaltung vergangene Woche in Texas kam überraschend, allen voran der Range Extender für die Ladefläche, mit dem sich die Reichweite um 120-130 Meilen erhöhen lässt. Bereits angekündigt aber war, dass der Pickup der erste Tesla und damit wohl der erste Pkw überhaupt mit reinem 48-Volt-Netz für Kleinverbraucher werden sollte. Vor den ersten Übergaben bestätigte CEO Elon Musk das: Zum ersten Mal nutze ein Auto diese Spannung statt der 12 Volt, die es seit 100 Jahren gebe.
Einer der Vorteile davon ist, dass bei höherer Spannung der Kabel-Querschnitt kleiner sein kann, was Platz sowie Kosten und Gewicht für Kupfer einspart, wie Musk bei der Tesla-Hauptversammlung im Mai erklärte. Ein Nachteil liegt darin, dass der Großteil des Zulieferer-Ökosystems für Pkw noch auf 12 Volt eingestellt ist. Mit der festen Ankündigung für den Cybertruck sendete Tesla also ein Signal – und schickte anderen Herstellern jetzt eine Anleitung dafür, den gleichen Schritt zu machen.
Erstmals erwähnt wurde sie in einem Video, das das Youtube-Kanal Hagerty kurz nach dem Cybertruck-Event mit einem vorab getesteten Exemplar veröffentlichte. Nach Jahrzehnten mit 12 Volt habe Tesla genug gehabt und allen anderen Herstellern ein Handbuch für den Umstieg auf eine 48-Volt-Architektur geschickt, sagt der Moderator zu diesem Thema. Das Dokument, das er als Beleg der Kamera präsentiert, sieht von Nahem allerdings eher nach einem Scherz aus, denn klein steht eine Provokation und ein handschriftlicher Gruß von Elon Musk darauf.
They weren't joking. We received the document today, dated Dec. 5th. Thanks, @ElonMusk. Great for the industry! https://t.co/DkLaHA84CY
— Jim Farley (@jimfarley98) December 7, 2023
Spannende Post von Tesla aber bekam zumindest Ford wirklich, wie am Donnerstag Jim Farley als der CEO des Unternehmens auf X wissen ließ. Am 5. Dezember habe man das Dokument erhalten, erklärte der Ford-Chef – also nicht schon vor dem Cybertruck-Tag, wie das Hagerty-Video suggerierte. Auch das darin gezeigte Titelblatt ist laut Farley nicht das richtige. Die Anleitung selbst aber existiert offensichtlich und ist laut Farley „großartig für die Branche“. Für diese Unterstützung bedankte er sich auf X bei Musk, der wenig später höflich mit „gern geschehen“ antwortete.
Ford-CEO dankt und will zusammenarbeiten
Einen ersten Verbündeten für die Spannungserhöhung scheint der Tesla-Chef also gefunden zu haben. Farley bestätigte das, indem er erklärte, das eigene Next-Generation-Team verfolge einen ähnlichen Pfad, und eine Zusammenarbeit vorschlug, um die Zulieferer-Basis zu 48 Volt zu bewegen. Zuvor war Ford der erste Tesla-Konkurrent gewesen, der in diesem Mai überraschend ankündigte, in Nordamerika auf das Supercharger-System umzusteigen. Seitdem haben sich etwa zehn weitere Hersteller angeschlossen, und die Tesla-Lösung für schnelles Laden soll zum neuen Standard werden.