In Europa schreitet die Öffnung des Supercharger-Netzes von Tesla für andere Elektroauto-Marken voran, und auch in Nordamerika hat sie in diesem Monat begonnen – aber unter anderen Voraussetzungen und deshalb auch auf eine ganz andere Weise: Statt bei sich selbst auf den Standard CCS umzustellen, schlug Tesla vor, die eigene Supercharger-Technik zum neuen Standard zu machen, und veröffentlichte die Spezifikationen dafür. Vorerst ist die Öffnung also eher eine Einladung an andere Unternehmen, sie zu übernehmen. Nach Ansicht eines Beraters gibt es aber keine schlechten Chancen dafür, dass das zumindest teilweise klappt.
Tesla wirbt mit doppelter Ladeleistung
Sowohl die europäische als auch die amerikanische CCS-Version wirkt im Vergleich zu der Supercharger-Lösung klobig, die amerikanische noch mehr, zumal in den USA der Tesla-Stecker noch schlanker ist. Unter anderem mit der halben Größe wirbt Tesla in einem Blog-Beitrag dafür, ihn zum nordamerikanischen Standard zu machen. Gleichzeitig soll er doppelt so viel Leistung zulassen wie CCS.
In Europa nutzen praktisch alle Elektroauto-Hersteller und Betreiber von Ladestationen einschließlich seit 2019 Tesla die regionale CCS-Variante, in Nordamerika alle mit Ausnahme von Tesla. Weil Supercharger manchmal überfüllt sind und zuletzt deutlich teurer wurden, haben sich manche Tesla-Kunden schon Adapter aus Südkorea besorgt, bevor sie in den US-Shop kamen. Wenn Supercharger tatsächlich zum neuen Standard würden, könnte sich dieser Kauf als unnötig erweisen.
Tatsächlich räumte ein Ingenieur der mit Tesla-Analysen bekannt gewordenen Berater-Firma Munro & Associates ihnen teilweise gute Chancen ein. Effizienter und leichter sei das Supercharger-System auf jeden Fall, und für die Betreiber von Ladestationen sei die Entscheidung nicht schwer, sagt er in einem Video von vergangener Woche: Sie könnten Supercharger-Kabel parallel zu CCS anbieten und so einige Tesla-Kunden zu sich locken – und wenn weitere Elektroauto-Hersteller auf den Standard-Vorschlag setzen, hätte sich die moderate Investition umso mehr gelohnt.
Schon schwieriger wird es laut dem Munro-Ingenieur für die Hersteller von Ladetechnik: Die müssten ihre Produktion lange im Voraus einrichten und deshalb frühzeitig wissen, welche Formate geliefert werden sollen. Wahrscheinlich würden sie sich dafür bei Regulierungsbehörden und Auto-Herstellern umhören – aber auch um Entscheidungen unter Unsicherheit nicht herumkommen. Tesla mische die Branche mit seiner Standard-Initiative definitiv auf, sagt der Elektroauto-Experte.
Interessant für neue Elektroauto-Hersteller
Am wenigsten Bereitschaft, sich auf den Tesla-Vorschlag einzulassen, sieht er bei anderen großen Herstellern. Die hätten bereits mehrere Elektroautos mit CCS auf dem Markt und würden sich gewiss sträuben, daran etwas zu ändern, schon weil das große Umstellungen in der Produktion nach sich ziehe. Eher würden Startups, die bislang nicht produzieren, auf die Supercharger-Technik setzen, um ein Stück vom Tesla-Glanz abzubekommen. Mit dem Dreirad-Hersteller Aptera hatte sich schon vor der-Ankündigung ein solches Unternehmen für Supercharger als Standard ausgesprochen und äußerte sich anschließend entsprechend erfreut.