Ist das Video eine „anonyme Botschaft“ oder eine „Anonymous-Botschaft“ an Elon Musk? Der englische Titel lässt beide Interpretationen zu, aber in dem Beitrag auf YouTube selbst wird behauptet, dass die zweite richtig ist: „Wir sind Anonymous. Wir sind Legion. Rechne mit uns“, sagt am Ende eine Computer-Stimme hinter der bekannten Maske, die vorher den Umgang des Tesla-Chefs unter anderem mit Kryptowährungen kritisiert und erklärt hat, jetzt habe er einen mindestens ebenbürtigen Gegner gefunden.
Großer Anonymous-Account bekennt sich
Sollte tatsächlich Anonymous hinter dem Musk-Video stehen, wäre es zumindest ernst zu nehmen. Feste Strukturen gibt es in dieser Gruppe ebenso wenig wie Namen, aber seit lose Mitglieder 2008 mit Hacking-Streichen gegen Scientology begannen, wurden in ihrem Namen viele weitere Cyber-Angriffe gegen Staaten oder Unternehmen verübt. Ab Mitte des vergangenen Jahrzehnts wurde es laut einem Bericht von The Independent ruhiger um Anonymous, doch 2020 gab es wieder mehr Aktionen, an denen nach Einschätzung einer Buch-Autorin einige der frühen Aktivisten beteiligt waren.
Als eine der glaubwürdigen Anonymous-Präsenzen gilt laut dem Bericht @YourAnonCentral mit 5,9 Millionen Followern auf Twitter. Am Sonntag wies der Account auf das Video über den Tesla-Chef auf YouTube und einen Bericht darüber auf der eigenen Website hin. Um eine geschlossene Gruppen-Aktion scheint es sich aber trotzdem nicht zu handeln: Mit @YouAnonNews erklärte ein weiterer wichtiger Account aus dem Anonymous-Umfeld, mit dem Video nichts zu tun zu haben; er distanzierte sich allerdings auch nicht.
„Wir unterstützen die Schwachen gegen die Mächtigen und stehen für Gerechtigkeit ein. Unsere Werte sind: Menschenrechte, Autonomie & Selbstbestimmung, Widerstand gegen Tyrannei, eine menschlichere Gesellschaft, Aktion statt Worte“, lautet die Selbstbeschreibung von @YourAnonCentral, also des Accounts, der sich hinter das Video stellte. Und in dem Web-Betrag dazu heißt es: „Die Hacker-Gruppe Anonymous hat ein neues Video veröffentlicht, das den berüchtigten Milliardär Elon Musk herausfordert, nachdem er die Bitcoin-Aktien zum Einbrechen gebracht hat.“ Darauf habe der Tesla-Chef mit der Twitter-Nachricht „Töte nicht, was du hasst. Rette, was du liebst“, reagiert.
Die ist ungefähr so kryptisch wie viele der anderen Äußerungen, die von Musk zuvor über Kryptowährungen gekommen waren. Mit seiner Kritik am hohen Stromverbrauch von Bitcoin in diesem Mai wurde er aber deutlich – und trug damit wohl zu einem heftigeren weiteren Kursverfall bei. Zu Dogecoin blieb der Tesla-CEO tendenziell positiv, doch hier brach der Kurs sogar noch stärker ein als beim Original Bitcoin. Seit die Gewinne dank Musk-Memes ausbleiben, wurde er aus der Krypto-Szene mehrfach verbal angegriffen.
„Tesla-Chef beutet aus und will putschen“
In dem anonymen Anonymous-Video aber geht es, auch wenn es im Web in den Zusammenhang von „Bitcoin-Aktien“ gestellt wird, noch um viel mehr. Zunehmend werde Musk als „nichts als ein weiterer narzisstischer reicher Typ gesehen, der verzweifelt nach Aufmerksamkeit sucht“, lautet das Urteil zum Auftakt. Dann zählt die Computer-Stimme auf: inakzeptable Arbeitsbedingungen, „junge Kinder“, die in Lithium-Minen sich und die Umwelt zerstören, der Tesla-Chef habe seine Bereitschaft erklärt, in Rohstoff-Staaten zu putschen, und sich zum Kaiser des Mars ernannt, auf den er Menschen zum Sterben schicken werde.
All das werde von den „Fanboys“ übersehen, weil sie sich auf das potenzielle Gute konzentrierten, das Musks Projekte der Welt bringen könnten, heißt es zunächst überraschend anerkennend weiter. Dann aber folgen wieder Punkte, die sowohl alt als auch teilweise widerlegt sind: Der Großteil der Tesla-Erträge stamme nicht aus dem Elektroauto-Verkauf, sondern aus staatlichen Subventionen. Musk sei gar nicht der Gründer von Tesla, sondern habe das Unternehmen schlicht von zwei Männern gekauft, „die viel intelligenter sind“. Mit ein paar Monaten Bitcoin-Besitz habe Tesla mehr Geld verdient als mit Elektroautos über Jahre, findet der Video-Text dann zu seinem Ausgangsthema zurück.
Drohung an Musk wegen Krypto-Vergehen
Zu Musks Krypto-Vergehen heißt es noch, das Argument mit dem hohen Bitcoin-Energiebedarf sei auch für den Tesla-Chef nicht neu, aber er spiele unwissend, um mit seiner Kehrtwende weiter staatliches Elektroauto-Geld kassieren zu können. Doch seine Twitter-Spielchen mit dem Krypto-Markt hätten „Leben zerstört“, und trotzdem zeigte Musk mit seinen anhaltenden Memes dazu klare Missachtung für normale Menschen.
Eine interessante Mischung von Halb- und Unwahrheiten sowie Behauptungen also, aber wichtiger dürfte sein, ob @YourAnonCentral den wütenden Worten gemäß dem eigenen Twitter-Motto Taten folgen lässt und welche. Dass ein Unternehmen wie Tesla auch ohne zornige Anonyme stets von IT-Angriffen bedroht ist, versteht sich von selbst. Doch einige der wohl besten Hacker zogen es bislang jedenfalls vor, gefundene Lücken vor der Veröffentlichung an Tesla zu melden, weil es bereitwillig Prämien dafür bezahlt.