Wenn man zum Beispiel mit einem Tesla Model X unterwegs ist, das plötzlich nur noch Wechselstrom über eine Phase annimmt statt volle Supercharger-Power, können die in Deutschland üblichen Gebühren für überlanges Besetzen von Ladestationen ein zusätzliches Ärgernis sein. So bezahlten wir vor einiger Zeit knapp 90 Euro für eine annähernd volle Ladung bei EnBW irgendwo tief in der Provinz, weil wir unsere Not-Nachtruhe in einem Hotel nicht nach vier Stunden unterbrechen und angesichts der Lader-Probleme lieber möglichst viel Strom mitnehmen wollten. Ein aktueller Fall im Amsterdam spricht allerdings dafür, dass die bei vielen Elektroauto-Fahrern unbeliebten Blockier-Gebühren durchaus ihre Berechtigung haben.
Tesla Model 3 belegt wochenlang Ladestation
Über die Frage, ab wann aus Laden an einer öffentlichen Station Blockieren wird, kann man lange streiten. Aus der Sicht dringend strombedürftiger Fahrer ist wahrscheinlich jedes andere Elektroauto an einer Station eine Blockade, während die aktuell Ladenden dort so lange bleiben wollen, wie sie es für nötig halten. Viele Wechselstrom-Anbieter ziehen wie EnBW die Grenze bei vier Stunden und nehmen ab dann zusätzliche Gebühren pro Minute. In dieser Zeit bekommt man nicht mal mit einem Tesla Model X, das mit bis zu 16,5 Kilowattstunden Wechselstrom lädt (wenn es richtig funktioniert), einen vollen Akku. Model 3 und Model Y nehmen immerhin bis zu 11 Kilowatt, viele andere Elektroautos deutlich weniger.
Selbst mit der niedrigsten Ladeleistung und dem größten Akku lässt sich wohl jedes Elektroauto innerhalb von 24 Stunden voll bekommen. Ein Tesla-Fahrer in den Niederlanden aber überschreitet selbst diese großzügige Zeitspanne bei weitem, wie am Freitag NH Nieuws berichtete: Seit vollen acht Wochen stehe dasselbe Model 3 eingesteckt an einer öffentlichen Ladestation in Amsterdam, sagte eine Anwohnerin der Publikation. Geladen wird es natürlich schon längst nicht mehr. Aber anders als in Deutschland, wo zu Blockier-Gebühren der Säulen-Betreiber noch Strafmandate für zu langes Parken hinzukommen können, gibt es derlei Sanktionen in den meisten niederländischen Städten nicht.
Elektroauto-Dauerparken in den Niederlanden
Das erfuhr die Frau laut dem Bericht von der Gemeinde, an die sie sich wegen des Tesla-Dauerparkers wandte. Der Eigentümer sei in Urlaub, teilte ihr die Verwaltung mit, die im Übrigen kein großes Problem damit zu haben schien. Es gebe in Amsterdam schließlich ein großes Netz von öffentlichen Elektroauto-Ladestationen, wurde ihr gesagt. An den Felgen des Model 3 sind unterdessen schon Spinnweben zu sehen, wie der Bericht zeigt.
Clearly 8 weeks of “charging” is simply obnoxious but in Amsterdam there’s more going on: these vehicles with tiny batteries have both been connected to this charger for well over 24 hours … ⚡️#amsterdamelektrisch #alwaysbecharging pic.twitter.com/qBNIi1kGQ4
— Felix Hamer • electricfelix (@electricfelix) May 27, 2022
Tatsächlich ist der Missbrauch von Ladeplätzen als Parkplätze in den Niederlanden weit verbreitet, wie ein dort ansässiger Blogger auf Twitter erklärte und mit einem Beispiel-Foto aus Amsterdam dokumentierte. Weitere lokale Elektroauto-Fahrer meldeten sich mit ähnlichen Erzählungen zu Wort. Einer berichtete auch von Plugin-Hybriden wie einem BMW i8, die er viele Male für mehr als 12 Stunden am Stück eingesteckt gesehen habe. Mehrmals wurde der Wunsch nach der landesweiten Einführung von Blockier-Gebühren geäußert und positiv von einzelnen Standorten und Städten berichtet, wo es sie bereits gibt. Die bisweilen nervige und unpassende deutsche Regelung scheint also gar nicht so schlecht zu sein.