Von einem Kritiker ist der Industrie-Berater Sandy Munro zu einem begeisterten Anhänger von Tesla geworden. Zunächst eckte er mit negativen Aussagen zur Heck-Konstruktion des Model 3 an – was allerdings dadurch gemildert wurde, dass CEO Elon Musk sich dieser Kritik anschloss. Später entdeckte Munro bei seinen anhaltenden Tesla-Zerlegungen immer mehr Positives, durfte sogar ein Interview mit Musk führen und bezeichnete zuletzt den Akku im neuen Model Plaid als „Meisterwerk“. Bei der weiteren Beschäftigung mit dem Top-Tesla stieß er allerdings auf eine Enttäuschung, die ihn nach eigener Aussage traurig machte.
Komplexe Tür-Konstruktion in Top-Tesla
Voller Lob war Munro zum Beispiel für die Konstruktion der Tür im Tesla Model Y, das seine Beratungsfirma kurz nach dem Marktstart in den USA ebenfalls zerlegte. Denn die besteht im Prinzip nur aus zwei Teilen: dem Blech und einem großen Plastik-Aufsatz mit allen weiteren Elementen, der in eine Aussparung dafür geschoben wird. Auf diese Weise kann der Aufsatz fernab der Produktionslinie frei zugänglich vorbereitet und getestet werden, und am Fließband wird er nur noch mit dem Blech verbunden.
Eine solche Lösung hätte Munro auch für das neue Model S erwartet, das Anfang 2021 vorgestellt wurde und seit Juni des Jahres ausgeliefert wird, bislang aber nur in Nordamerika. Doch stattdessen scheint Tesla entschieden zu haben, bei einer komplizierten Bauweise zu bleiben, wie sie schon beim frühen Model S genutzt wurde: Das Tür-Element aus Blech kommt mit einer Reihe von Aussparungen und Löchern aus der Presse, und alle Innereien und Anbauten wie Kabel, Fenster- und Tür-Öffner oder Lautsprecher müssen in mühseliger Handarbeit am Band darin und daran befestigt werden.
Das sei ein „Alptraum“ für die Beschäftigten am Tesla-Fließband, erklärt Munro, bevor er einem Kollegen die Vorführung der einzelnen Montage-Herausforderungen überlässt. Der Mechanismus zum Bewegen der Fensterscheibe zum Beispiel muss zusammengeknautscht, durch eine relativ kleine Öffnung im Blech in die Tür eingeführt und zuletzt ohne direkten Blick darauf befestigt werden. Das kann man alles machen, und heruntergefallene Schrauben lassen sich notfalls mit langen Magneten wieder herausholen, sagt Munro. Aber grundsätzlich könne eine derart komplexe Konstruktion dazu führen, dass immer wieder Fahrzeuge aus der laufenden Produktion herausgeholt und aufwendig nachbearbeitet werden müssen.
Model S spart bei Scheiben-Gewicht
Warum Tesla beim neuen Model S nicht auf eine Konstruktion wie beim Model Y setzt, weiß Munro auch nicht. Auf jeden Fall zeigt er sich enttäuscht davon – die Details seien sogar noch schlimmer, als er erwartet habe, sagt er nach den Ausführungen seines Kollegen. Dabei habe er ein modulares Tür-Konzept in seiner Zeit bei Ford schon im Jahr 1987 vorgeschlagen. Bei dem Elektroauto Mustang Mach-E seines früheren Arbeitgebers sei es übrigens noch besser umgesetzt als im Tesla Model Y.
Ganz ohne Lob für Tesla endet aber auch die aktuelle Folge der Plaid-Zerlegung bei Munro Associates nicht. An der neuerdings doppelten Seitenscheibe des Model S stellen Munro und sein Kollege fest, dass Tesla dort ein Stück der zweiten Schicht weggelassen hat, wo sie sich ohnehin stets innerhalb der Tür befinden würde. Die bessere Geräusch-Dämmung bleibt also gewährleistet, aber weniger Material bedeutet – ganz im Sinn des Industrie-Beraters, wenn das ohne Nachteile zu haben ist – weniger Gewicht und Kosten. Allein der Trick mit der etwas kleineren zweiten Scheibe spare gut 100 Gramm pro Tür, also in einem ganzen Tesla Model S etwa ein halbes Kilogramm.