In China findet seit dieser Woche mit der Auto Shanghai 2021 die wohl einzige große Auto-Messe dieses Jahres mit persönlicher Anwesenheit statt. Zu Beginn erregte vor allem Tesla Aufmerksamkeit, weil es an seinem Stand zu einer lauten Protest-Aktion einer unzufriedenen Kundin kam. Doch abgesehen von diesem Zwischenfall gibt es auf der Messe das Neueste aus der weltweiten Auto-Industrie zu sehen – was heute viele Elektroautos bedeutet. Lei Xing, der frühere Chefredakteur von China Automotive Review, hat in einem Medium-Beitrag das Wichtigste zusammengefasst. Mit seiner freundlichen Genehmigung veröffentlicht teslamag.de diesen Bericht übersetzt und leicht bearbeitet in drei Teilen.
Sehen heißt glauben: Auto Shanghai 2021 (1/3)
Von Lei Xing
An den „Premiere“-Tagen vor dem offiziellen Auftakt der Auto Shanghai 2021 luden unter anderem Mercedes, BMW Group, Audi und Buick zu eigenen Marken-Shows ein, wo sie ihre neuesten Konzepte oder Serienautos vorstellten, mit einem besonderen Blick auf den chinesischen Markt. Bei einer Veranstaltung mit Hui Ka-Yan, Chairman von Evergrande mit der umstrittenen Marke Hengchi, betonte er das Ziel, der größte Elektroauto-Hersteller der Welt zu werden. 2025 sollen jährlich 1 Million Einheiten verkauft werden, zehn Jahre später 5 Millionen.
Zuvor zeigte Citroen den C5X, Ford den in China produzierten Mustang Mach-E, Xpeng den P5 und Audi den Q4 e-tron, Mercedes den EQS, WM Motors den W6, Volkswagen China ID.6 X und Crozz und BAIC Motors den viel diskutierten Arcfox alpha-S, der mit Lösungen für Konnektivität und autonomes Fahren von Huawei ausgestattet ist. Dongfeng gab als neue Strategie bekannt, bis 2025 auf 1 Million verkaufte Nutzfahrzeuge und 1 Million Elektroautos kommen zu wollen. Die Marke Hongqi (Red Flag) der FAW Group, die am schnellsten wachsende in China, veranstaltete ebenfalls einen Marken-Abend.
Insgesamt wetteifern mehr als 80 Marken aus China und dem Ausland bei der Messe im National Exhibition & Convention Center um Aufmerksamkeit. Mit der offiziellen Eröffnung in dieser Woche sind alle ihre Modell-Neuigkeiten schon verkündet. Was also waren die wichtigsten Themen bei der einzigen globalen Auto-Messe von Format, die in diesem Jahr mit persönlichen Besuchen stattfinden kann?
Meiner Meinung nach lautet das Grundmotiv für dieses Jahr „Seeing is Believing“. Eine ganze Reihe von Marken bringen ihre ersten Serienmodelle mit Lidar-Sensoren heraus. Etablierte Hersteller aus China starten mit neuen Marken und Modellen, deren Designs mit Anbietern aus dem Westen konkurrieren. Hengchi zeigt insgesamt neun Modelle von Hengchi 1 bis 9 mit Limousinen, SUVs und Vans. Ausländische Marken vor allem aus Japan erhöhen das Tempo bei der Einführung von Elektroautos. Chinesische Startups im Bereich intelligenter Elektroautos fahren abgesehen vom Xpeng P5 und Hengchi nicht viele neue Modelle auf, könnten zu der Messe aber noch Nachrichten über Service und neue Geschäftsmodelle haben.
Elektroauto-Rennen unter Audi, BMW, Benz
Mercedes-Benz, Audi und BMW (als die drei führenden Premium-Marken in China zusammen als ABB bezeichnet) hielten am selben Abend ihre eigenen Veranstaltungen ab – ich glaube nicht, dass es das in China schon einmal gegeben hat. Alle drei haben im ersten Quartal dieses Jahres jeweils deutlich mehr als 200.000 Autos verkauft und sich vom Wettbewerb abgesetzt (außer wenn man vielleicht Tesla mit in ihr Segment zählt); im Gesamtjahr könnte jede auf mehr als 1 Million Verkäufe kommen.
Ob Sie es glauben oder nicht, die BMW-Veranstaltung war trotz der langen Präsenz des Konzens im Land sein erster Marken-Abend in China. Zum ersten Mal zeigte das Unternehmen einem globalen Publikum live das Elektroauto iX zusammen mit der Palette von BMW, Mini und BMW Motorrad. Bis heute hat es in China gut 100.000 NEVs (New Energy Vehicles, zu denen auch Plugin-Hybride zählen) verkauft und führt in der Premium-Kategorie knapp vor Mercedes, hatte mit dem nur in China produzierten Elektro-SUV iX3 aber einen Fehlstart; der Preis musste in diesem Jahr um mehr als 10.000 Dollar gesenkt werden. Bei den Elektroauto-Plänen ist BMW das am wenigsten aggressive Mitglied des ABB-Trios, profitiert aber von dem Plugin-Hybrid 5er Li PHEV, der zu den Bestsellern zählt.
Mercedes liegt im Luxus-Segment knapp hinter BMW, ist bei der NEV-Einführung aber am aggressivsten. Bei der Mercedes-EQ Night zeigte das Unternehmen sein vor kurzem präsentiertes Elektroauto EQS erstmals einem Live-Publikum und den EQB zum ersten Mal überhaupt; hinzu kamen EQA und Vision AVTR Concept. Bis Ende des Jahres soll der EQE die lokal produzierte Elektroauto-Palette mit EQC, EQB und EQA ergänzen. Der Mercedes EQC hat sich allerdings wie der BMW iX3 enttäuschend entwickelt.
Audi startet mit SAIC Audi in ein neues Zeitalter, einer neuen Einheit innerhalb von SAIC Volkswagen, die zusätzlich zu dem Joint-Venture zwischen FAW und Volkswagen die lokale Audi-Produktion übernimmt. Bei seiner Marken-Nacht zeigte Audi den brandneuen A7L und das Elektroauto Concept Shanghai, die offiziell im ersten Quartal 2022 auf den Markt kommen sollen.
Alle drei deutschen Premium-Marken haben angekündigt, in China bis Mitte des Jahrzehnts eine Vielzahl von neuen Elektroautos herauszubringen. Damit werden sie ebenso sehr in Konkurrenz untereinander stehen wie mit chinesischen Startups wie Nio, wenn nicht noch mehr. So tut sich in China auch der Audi e-tron, der seit kurzem aus lokaler Produktion verfügbar ist, nicht leicht.