Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess zeigt sich in Bezug auf die eigene Position im Vergleich zu Tesla relativ bescheiden, von lokalen Vertretern aber kommen gelegentlich offensivere Töne. Zum Start des VW ID.3 im vergangenen Sommer sagte der Präsident des Händler-Verbandes für VW und Audi in Deutschland, mit dem ersten Elektroauto auf der neuen Konzern-Plattform MEB werde man Tesla schnell überholen. Ähnlich äußerte sich jetzt Stephan Wöllenstein, Chef des China-Geschäfts des deutschen Konzerns: Dort werde Volkswagen zwei bis drei Jahre brauchen, um Tesla zu überholen, sagte er bei der Präsentation des Siebensitzer-Elektroautos ID.6 für den chinesischen Markt.
VW ID.6 als Flaggschiff-Elektroauto
Während Tesla in China schon seit Anfang 2020 mit einer eigenen Elektroauto-Fabrik aktiv ist, hat Volkswagen mit dem globalen SUV ID.4 auf der MEB-Plattform gerade erst begonnen, in diesen Markt einzusteigen. Tesla dominiert ihn trotz starker lokaler Konkurrenz (nur ein Mini-Elektroauto für weniger als 5000 Euro verkauft sich noch besser als Model 3 und neuerdings Model Y). Den aktuellen Marktanteil von VW in China gab Wöllenstein jetzt mit 3-4 Prozent an, berichtet die Automobilwoche, mit einer guten Chance, dieses Jahr zweistellig zu werden.
Dafür will Volkswagen laut dem Manager in diesem Jahr mehr als 100.000 Elektroautos in China verkaufen, also weitaus weniger als die rund 150.000, die Tesla schon 2020 schaffte. Nach dem VW ID.4 in zwei Varianten mit zwei unterschiedlichen lokalen Joint-Venture-Partnern soll dazu als Nächstes der ID.6 beitragen. Das bislang größte Elektroauto auf der MEB-Plattform hat bis zu sieben Sitzplätze und soll zunächst nur in China angeboten werden. In einem Teil des Landes kommt es als SAIC Volkswagen ID.6 X, im anderen als FAW-Volkswagen ID.6 Crozz.
Beide sehen sich sehr ähnlich mit einer Front wie beim ID.4 und auch sonst im gleichen SUV-Format, die Länge entspricht mit 4,88 Metern fast der des VW Touareg. Volkswagen bezeichnet den ID.6 als sein „Flaggschiff“-Elektroauto für China. Ob es auch nach Europa und in die USA kommt, blieb zunächst offen.
Credit-Käufe von Tesla bestätigt
Mit Blick auf die starke lokale Konkurrenz erklärte in einer Mitteilung der für VW-Verkäufe in China zuständige Manager Olaf Gutkowski, ID-Modelle für diesen Markt würden sich von westlichen durch „ein hohes Maß an Rechenleistung und eine robusten Software-Plattform“ unterscheiden. Bis 2023 werde Volkswagen in China acht ID-Elektroautos auf den Markt bringen, mit dem Ziel, die Marke Nummer Eins bei NEVs (New Energy Vehicles) zu werden.
Laut Automobilwoche hat China ungefähr ein Drittel Anteil am gesamten weltweiten Auto-Markt und Volkswagen macht dort rund 40 Prozent seines globalen Geschäfts. Das Land ist für die Branche also von größter Bedeutung. Elon Musk sagte vor kurzem, China werde sowohl bei Produktion als auch beim Absatz langfristig die wichtigste Rolle für Tesla spielen.
Laut Landeschef Wöllenstein investiert Volkswagen dort in den nächsten vier Jahren 15 Milliarden Euro in E-Mobilität, was ausreichen soll, um den früher gestarteten US-Herausforderer zu übertreffen: „Wir werden zwei bis drei Jahre brauchen, um Tesla zu überholen“, sagte er. Vorher allerdings könnte noch einmal ein dreistelliger Millionen-Betrag von VW an Tesla fließen: Der China-Chef bestätigte, in dem Land Schadstoff-Credits von Tesla gekauft zu haben, um die zu hohen Emissionen und den zu geringen Elektroauto-Anteil in der eigenen Flotte auszugleichen. In diesem Jahr soll das nicht mehr erforderlich sein.