In diesem Spätsommer kam Kalifornien an Strom-Ausfällen gerade noch einmal vorbei. Hoher Energie-Bedarf in einer Hitzewelle drohte das System über die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit zu treiben, und so rief Tesla seine Kunden dazu auf, möglichst außerhalb von Spitzenzeiten zu laden, und der Netz-Betreiber tat später das Gleiche für alle Kalifornier mit Elektroauto. Diese und andere Appelle halfen, waren aber ein gefundenes Fressen für Elektroauto-Kritiker. Diskussionen über solche Themen könnten schnell „emotional“ werden, schrieb dazu jetzt Colin Mckerracher, leitender Analyst bei der Energie-Marktforschungsfirma BloombergNEF – und lieferte deshalb trockene Fakten dazu.
Elektroautos mit Verbrauch wie Singapur
Das Problem mit der Strom-Versorgung für Elektroautos sei wahrscheinlich weniger gravierend, als man glaube, fasste Mckerracher seine Daten-Sammlung zu dem Thema zusammen. Das gilt zum einen für die Gegenwart: Bis Ende des Jahres werde es nach BNEF-Prognosen weltweit 27 Millionen von außen aufladbare Pkw geben, die zusammen 60 Terawattstunden Strom pro Jahr benötigen. Das ist eine große Zahl, die jedoch im Verhältnis zum Gesamtbedarf in 2022 nur 0,2 Prozent ausmacht. Die globale Elektroauto-Flotte Ende des Jahres wird laut Mckerracher ungefähr so viel Strom verbrauchen wie der Stadtstaat Singapur.
Mit der zunehmenden Verbreitung von Elektroautos wird auch der Strom-Bedarf entsprechend zunehmen. Einen frühen Ausblick darauf liefert Norwegen, wo Batterie-Fahrzeuge inzwischen rund 80 Prozent der Neuzulassungen und 20 Prozent des Bestands ausmachen. Jedoch erhöhen sie den norwegischen Verbrauch zusammen nur um 1,4 Prozent, schreibt der Analyst, also einen ebenfalls wenig beunruhigend klingenden Wert. Allerdings habe in Norwegen eine weitere Spezialität, nämlich kaltes Klima und viel elektrische Heizung sowie Industrie. Das ergibt einen insgesamt sehr hohen Strom-Bedarf, in dem sich der für die 20 Prozent Elektroautos entsprechend klein ausnimmt.
Reiner Elektro-Verkehr braucht 27% des Stroms
Sowohl in Norwegen als auch im Rest der Welt werden über die nächsten zwei Jahrzehnte weiter steigende Elektroauto-Anteile erwartet, aber auch die stellen das Energie-System für Mckerracher nicht vor unlösbare Herausforderungen. Je nach Szenario werde es in 2040 nach BNEF-Prognosen zwischen 730 Millionen und gut 1 Milliarde elektrische Pkw geben. Im ersten Fall steige der weltweite Strom-Bedarf um 7 Prozent, im zweiten Fall um rund 9 Prozent. Wenn man noch Nutzfahrzeuge wie Lastwagen und Busse dazunimmt, ergebe sich ein um 11 Prozent bzw. 15 Prozent höherer Bedarf. Und wenn bis 2050 fast der gesamte Straßenverkehr elektrisch sei, steige der Anteil dafür auf 27 Prozent.
Das ist eine ganz andere Dimension als bei der heutigen Flotte – aber auch noch beruhigend lange hin, wie der BNEF-Analyst auf Twitter kommentierte. Für diese Umstellung sei noch viel zu tun. So würden Preis-Signale für Laden außerhalb von Spitzenzeiten, kosteneffektive Verstärkung und Verwaltung von lokalen Netzen und integrierte Planung gebraucht. Dies seien aber angesichts des langen Zeit-Horizonts sämtlich lösbare Probleme und nichts davon sei geeignet, die Elektroauto-Entwicklung aus der Spur zu bringen.