Wie seit einigen Jahren verbreitet Tesla auch in diesem Jahr kurz vor Weihnachten ein Software-Update, das Kunden mit neuen Funktionen eine Freude machen soll. In Nordamerika kam allerdings, nachdem zum Beispiel die neue „Hifi“-Parkansicht schon angekündigt war, eine Korrektur des Autopilot-System dazu, weil Tesla auf Drängen der Verkehrsbehörde NHTSA einen Rückruf dafür einleitete. Überraschend brachte das Holiday-Paket zudem auch für Europa strengere Autopilot-Kontrollen, die nicht jedem gefallen. Eine Studie spricht allerdings dafür, dass sie erforderlich sind.
Tesla kontrolliert Autopilot strenger
Bei seinem Autopilot-System handele es sich „um Funktionen, die Ihre Aufmerksamkeit erfordern“, stellt Tesla in seinen Online-Handbüchern klar. Bei der Nutzung soll man stets die Hände am Lenkrad behalten und auf die Straße sowie andere Verkehrsteilnehmer achten. Kontrolliert wurde das beim Basis-Autopiloten bislang mit Sensoren, die Widerstand oder Kraft am Tesla-Lenkrad erkennen. Beta-Tester der Option FSD in Nordamerika werden zudem von einer Kamera beobachtet, die seit dem Model 3 im Innenspiegel eingebaut ist.
In Europa konnte man bislang mit oder ohne FSD relativ ungestraft Aufforderungen ignorieren, das Lenkrad wieder in die Hand zu nehmen: Der Autopilot-Lenkassistent schaltete sich für die laufende Fahrt ab, aber nach kurzem Abstellen war er wieder verfügbar. So ist es auch mit der neuen Software noch – aber wenn das dreimal passiert ist, sperrt Tesla die Autopilot-Nutzung für eine Woche. Zudem wird die Innenkamera nicht mehr nur in Nordamerika und zusammen mit FSD genutzt: Wer sie hat, wird jetzt überall ermahnt, wenn die Augen länger nicht auf die Straße gerichtet sind. In diesem Fall ist nach fünf „strikes“ für eine Woche Autopilot-Schluss.
Tester im Model 3 lassen sich ablenken
Diesen Teil des Tesla-Updates empfanden manche Kunden als Bevormundung oder Justiz ohne Richter, zumal sowohl der Lenkrad-Sensor als auch die Kamera manchmal zu Unrecht mahnen sollen. Eine Testreihe der kanadischen University of Windsor, vorgenommen noch vor der gemischten Weihnachtsüberraschung, zeigt jedoch, dass eine strenge Kontrolle der Person am Steuer bei modernen Assistenten wie dem Autopilot-System wohl unumgänglich ist. Denn wenn Tester in einem Tesla Model 3 auf der Autobahn mit dieser Unterstützung fuhren, schauten sie ungefähr doppelt so lang nicht auf die Straße wie ohne.
An der Studie nahmen laut dem Fachaufsatz dazu von Ende Oktober 30 Freiwillige aus dem Umfeld der Universität teil, mit einem Durchschnittsalter von 22 Jahren relativ jung. Einzeln und beobachtet von zusätzlich montierten Kameras sowie einer wissenschaftlichen Hilfskraft auf der Rückbank wurden sie nach einer kurzen Einführungsrunde mit dem Model 3 auf einen Highway geschickt. Diesen befuhren sie jeweils 40 Minuten lang mit und ohne die aktivierten Autopilot-Helfer für Geschwindigkeit und Spurhalten.
120 Sekunden Touchscreen statt Straße
Die meisten der Probanden hatten keine vorigen Tesla-Erfahrungen, wurden aber mit einem Autopilot-Einführungsvideo und der Proberunde vor der Autobahn-Fahrt vorbereitet. Bevor es richtig losging, erinnerte die mitfahrende Hilfskraft daran, wie vorgeschrieben unterwegs keine elektronischen Geräte einschließlich des Touchscreens im Auto zu benutzen. Doch die Technologie zusammen mit der Autopilot-Unterstützung erwies sich als zu verführerisch: Ohne Assistent blickten die Testpersonen rund 50 Sekunden pro Fahrt auf den Bildschirm, mit waren es fast 120 Sekunden.
Abgesehen davon gingen aus den Vergleichsfahrten keine statistisch signifikanten Unterschiede hervor. Mit wie ohne Autopilot blickten die Probanden ungefähr gleich lang in Innen- und Außenspiegel, und zur Überraschung des Uni-Teams blieb sogar die kognitive Beanspruchung ungefähr gleich, statt sich assistiert zu verringern.
Das Ergebnis zur Blickanwendung von der Straße aber wird als besorgniserregend bezeichnet – insgesamt verdoppelte sie sich auf 16 Prozent der Fahrzeit. Dabei seien die Probanden kurz vorher aufgeklärt worden, dass sie aufmerksam bleiben sollen, und hätten gewusst, dass sie von Kameras und einer Person beobachtet werden. Die schärferen Autopilot-Kontrollen von Tesla mit dem Holiday Update scheinen also ihre Berechtigung zu haben.