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Warten auf Tesla-FSD: Warum die Beta-Software in Europa noch nicht zugelassen ist

Tesla-Autopilot

Bild: Tesla (Symbolfoto)

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Einstweilen ist MisterGreen ein Elektroauto-Vermieter mit dem Schwerpunkt Tesla, von denen es in Europa mehrere gibt, doch das niederländische Startup mit Töchtern unter anderem in Deutschland hat noch mehr vor. Man wolle eine elektrische Robo-Flotte aufbauen, heißt es auf der Website des Unternehmens. Also ist es überdurchschnittlich am Autopilot-System von Tesla interessiert, dessen Weiterentwicklung in Form der Beta-Software FSD in Europa auf sich warten lässt. Kees Roelandschap, Mitarbeiter von Mister Green, hat aufgeschrieben, warum das so ist. Wir geben seinen Text hier mit freundlicher Genehmigung übersetzt wieder.

Von Assistenz zum autonomen Auto

In der schnelllebigen Welt der Automobil-Technologie fand vor kurzem das 17. Treffen der Arbeitsgruppe für automatisierte und vernetzte Fahrzeuge (GRVA) statt, einem wichtigen Teil der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE). Bei dem Treffen ging es um die regulatorischen Feinheiten modernster Fahrassistenzsysteme, wie sie in den UN-Verordnungen Nr. 79, Nr. 157 und der mit Spannung erwarteten DCAS-Verordnung beschrieben sind.
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Wer sind UNECE, WP.29 und GRVA?

Das Weltforum zur Harmonisierung von Fahrzeug-Vorschriften (WP.29) ist wie ein angesagter Club mit dem Zweck, sich auf Standards zu einigen. In verschiedenen Ländern gelten für Autos, Busse und Lastwagen unterschiedliche Regeln, so als würde jedes seine eigene Sprache sprechen. WP.29 bringt sie zusammen. Das Forum ist so etwas wie der internationale Friedensstifter für den Verkehr und sorgt dafür, dass sich Fahrzeuge weltweit an die gleichen Regeln halten, um die Straßen sicherer und die Automobil-Industrie effizienter zu machen.

ITC: Das Inland Transport Committee (ITC) ist die UN-Plattform für den Inlandsverkehr. In den vergangenen 75 Jahren hat es zusammen mit seinen Ablegern ein zwischenstaatliches Forum geschaffen, in dem die Mitglieder der UNECE und der Vereinten Nationen zusammenkommen, um wirtschaftliche Zusammenarbeit zu unterstützen und internationale Rechtsinstrumente auszuhandeln.

UNECE: Die UNECE fungiert als übergeordnetes Gremium, das die internationale Zusammenarbeit bei Regulierungsstandards koordiniert. Innerhalb dieses Rahmens ist die GRVA die Experten-Gruppe, die sich auf den komplexen Bereich automatisierter und vernetzter Fahrzeuge konzentriert.

GRVA: Die GRVA, also die Arbeitsgruppe für automatisierte und vernetzte Fahrzeuge, ist die Hightech-Taskforce der UNECE.

WP.29: Dies ist der globale Club, in dem Länder zusammenkommen, um Fahrzeug-Vorschriften zu harmonisieren. WP.29 spielt die Rolle eines Vermittlers und fördert die Einigung über Standards, damit ein Auto, das in einem bestimmten Teil der Welt gebaut wurde, problemlos auf den Straßen eines anderen Teils fahren kann.

Die Terminologie

ODD: Die Operational Design Domain (ODD) ist so etwas wie die Komfort-Zone für autonome Fahrzeuge. Sie definiert, wo und wie solche intelligenten Maschinen sicher arbeiten können. Die ODD legt geografische Grenzen fest und spezifiziert die Umgebungsbedingungen, Straßentypen und anderen Faktoren, unter denen das autonome System funktionieren soll. Beispielsweise könnten zur ODD für ein selbstfahrendes Auto breite Straßen, gutes Wetter und mäßige Verkehrsdichte zählen. Bei starkem Regen oder im komplexen Stadtverkehr müsste möglicherweise der menschliche Fahrer übernehmen.

ADS: Autonomes Fahrsystem. Ein solches System soll der FSD-Autopilot von Tesla werden – ein Lenkrad wird dann nicht mehr gebraucht. Das Auto fährt in jeder möglichen Situation selbständig. Ein ADS wird nach dem Standard J3016 den Stufen 4 und 5 zugeordnet.

ADAS: Zu den Erweiterten Fahrassistenz-Systemen zählen Systeme wie (adaptiver) Tempomat, ABS oder Notbrems- und Spurassistenten. Dabei handelt es sich um Helfer der Stufen 1 oder 2. Was diese Technologien übernehmen dürfen und was nicht, ist in der UN-Verordnung Nr. 79 geregelt

AV: Automatisiertes und/oder autonomes Fahrzeug. Hier gibt es subtile Unterschiede. Ein automatisiertes Fahrzeug ist so programmiert, dass es durch ein bestimmtes Gebiet navigiert, kann jedoch unbekannte Straßen nicht selbstständig befahren; ein autonomes Fahrzeug dagegen kommt grundsätzlich überall auf der Welt zurecht.

ALKS: Automatisierte Spurhaltesysteme. Die meisten Auto-Hersteller entwickeln oder bieten solche Systeme bereits an. Manche davon sind fortgeschrittener als andere. Der Autopilot von Tesla zum Beispiel sorgt durch automatisches Lenken dafür, dass das Fahrzeug in der Mitte der Fahrspur bleibt, und nimmt ohne Deaktivierung erlauben keine korrigierenden Eingaben des Fahrers an.

ACSF: Automatisch gesteuerte Lenkfunktion. Dies umfasst zusätzliche Funktionalitäten wie Spurwechsel-Manöver, ob vom Fahrer oder vom System selbst initiiert.

DCAS: Fahrerkontrollierte Assistenz-Systeme. Eine neue Klasse, die eingeführt werden müsste, um Systeme mit weit reichenden Fähigkeiten, aber unter Verantwortung der Person am Steuer zuzulassen.

Das Genfer Abkommen über den Straßenverkehr

Das Genfer Abkommen über den Straßenverkehr gilt als Meilenstein, der die Art und Weise geprägt hat, wie wir weltweit grenzüberschreitend Auto fahren. Es entstand aus einer Zusammenarbeit zwischen Nationen, die einen gemeinsamen Rahmen für die Verkehrssicherheit schaffen wollten. Später ging daraus das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr hervor.

Das Wiener Übereinkommen ist ein internationaler Vertrag, der mit einheitlichen Regeln internationalen Straßenverkehr erleichtern und die Verkehrssicherheit erhöhen soll. In Europa nach dem Zweiten Weltkrieg wollten die Staaten wieder aufbauen und sich verbinden. Der Bedarf an einheitlichen Regeln für den Straßenverkehr wurde offensichtlich und führte zur Entstehung des Übereinkommens.

Vom Fahrer zum selbstfahrenden System

Im Mittelpunkt der meisten Vorschriften darin steht das Konzept des „Fahrers“. Es legt die Rollen, Verantwortlichkeiten und Verhaltensweisen fest, die von Personen am Steuer erwartet werden, und schafft so eine universelle Sprache für Verhalten im Straßenverkehr. Leider wurde der Begriff des „Fahrers“ nie klar definiert. Das war nie notwendig, weil sich von selbst verstand, dass ein Auto von Menschen gelenkt wird.

Im Laufe der Jahre wurde das Übereinkommen weiterentwickelt, um es an den technologischen Fortschritt und die veränderte Verkehrsdynamik anzupassen. Es war die Richtschnur für Verkehrszeichen, Verkehrssignale und die Grundprinzipien, die unsere Straßen sicher und effizient halten.

Mit dem Aufkommen autonomer Fahrzeuge jedoch lässt die Betonung des „Fahrers“ eine neue Herausforderung entstehen, denn moderne Technologie stellt das traditionelle Verständnis in Frage. Der Kern von Autonomie liegt ja gerade darin, die Bedeutung des menschlichen Fahrers zu verringern und automatische Systeme kritische Funktionen übernehmen zu lassen.

Dadurch zeigt das Wiener Übereinkommen mit seiner menschenzentrierten Perspektive bei Regeln für autonome Fahrzeuge Schwächen. Die Vorstellung, dass „der Fahrer“ stets ein Mensch am Steuer ist, kollidiert mit dem Konzept selbstfahrender Autos, bei denen der Fahrer möglicherweise eher Aufpasser als aktiver Teilnehmer ist.

An der Schnittstelle von Tradition und Innovation stehen wir vor der Herausforderung, der Revolution des autonomen Fahrens regulatorisch gerecht zu werden. Neue Vorschriften müssen die Feinheiten autonomer Systeme berücksichtigen und ihre Rollen, Verantwortlichkeiten und Interaktionen mit anderen Verkehrsteilnehmern definieren. Lange diente das Wiener Übereinkommen als Eckpfeiler für sicheren Straßenverkehr, doch jetzt muss es für das autonome Zeitalter modernisiert werden.

Den „Fahrer“ neu definieren

Seit 2015 erleben wir einen Siegeszug verschiedener fortschrittlicher Fahrassistenz-Systeme (ADAS), der den Anpassungsbedarf deutlich werden lässt. Erstmals im Jahr 2021 wurde vorgeschlagen, in Artikel 1 des Wiener Übereinkommens automatisierte Fahrsysteme neu zu definieren: als Systeme aus Hardware und Software, die kontinuierlich die dynamische Kontrolle über ein Fahrzeug ausüben.

Dynamische Kontrolle wiederum wäre definiert als das Übernehmen aller für die Bewegung des Fahrzeugs notwendigen operativen und taktischen Funktionen in Echtzeit. Dies umfasst die Steuerung der Quer- und Längsbewegung, das Beobachten der Straßenumgebung, die Reaktion auf Verkehrsereignisse sowie Planung und Signalisierung verschiedener Manöver. Insofern wäre die vorgeschlagene Neudefinition ein Paradigmen-Wechsel, der die Weiterentwicklung von Fahrzeug-Technologie berücksichtigt.

Aufregung um UN-Verordnungen

Der Schwerpunkt des jüngsten GRVA-Treffens lag auf DCAS und den UN-Verordnungen Nr. 157 und 79, wichtigen Rechtsvorschriften für Erweiterte Fahrassistenz-Systeme (ADAS). Stellen Sie sich Autos mit einem hilfsbereiten Co-Piloten vor – die Verordnungen betreffen Automatisierung der Stufe 2 nach der SAE-Klassifizierung J3016.

Diese Klassifizierung bezieht sich auf den Grad der Automatisierung des Fahrens, von Stufe 0 (keine Automatisierung) bis Stufe 5 (vollständige Automatisierung). Sie ist wie eine Karte, um zu verstehen, wie viel Kontrolle ein Fahrzeug dem Fahrer abnehmen kann. Auf Stufe 2 kann Ihr Auto beispielsweise einige Aufgaben wie Lenken und Beschleunigen übernehmen, Sie müssen aber trotzdem wachsam bleiben. Auf Stufe 5 könnte man theoretisch ein Nickerchen machen.

Die UN-Verordnung Nr. 157 behandelt automatische Spurhaltesysteme, sämtlich als Stufe 2 klassifiziert, bei denen das Auto Aufgaben wie Lenken und Beschleunigen unterstützt. Es gibt jedoch einige ODDs, in denen ADAS der Stufe 3 zugeordnet sind, sodass der Fahrer nicht mehr verantwortlich ist. Dies ist zum Beispiel beim DrivePilot von Mercedes der Fall, der vollständig der UN-Verordnung Nr. 157 entspricht. Die ODD, innerhalb derer er auf Stufe 3 funktioniert, ist ziemlich begrenzt, sodass er kaum mehr als ein Stauassistent ist. Die UN-Verordnung Nr. 79 konzentriert sich auf die automatisch gesteuerte Lenkfunktion bei ADAS, die beispielsweise auch Spurwechsel und Autobahn-Abfahrten übernehmen können.

Als diese Systeme immer fortschrittlicher wurden und mehr Funktionen bekamen (denken wird an Enhanced Autopilot und FSD von Tesla), erwiesen sich die UN-Verordnungen Nr. 159 und 79 als zu restriktiv, und unterschiedliche Gesetze und Richtlinien gerieten in Konflikt miteinander. Die Folge war ein Downgrade der Tesla-Software, die bestens funktionierte. Mit der Option Enhanced Autopilot konnte sie bereits automatisch Autobahn-Auffahrten und -Abfahrten nehmen und Kurven viel besser als zuletzt. Neue Regeln werden also gebraucht.

Den Weg für FSD-Beta bereiten

Kommen könnten sie Form von Vorschriften zu Fahrerkontrollierten Assistenz-Systemen (DCAS) – einem neuen Kapitel in der Verkehrsregulierung. Sie erkennen die Existenz von Systemen der Stufe 2 an, bei denen weiterhin der Fahrer verantwortlich ist, die jedoch über weiter reichende Fähigkeiten verfügen, auch als Stufe 2+ bezeichnet. Damit öffnet sich die Tür für Systeme wie Teslas Beta-Software für Full Self-Driving (FSD), die einen bedeutenden Schritt in Richtung autonomes Fahren darstellt.

Warum dauert es in der EU so lange? Diese Frage wird mir häufig gestellt. Doch erstens werden die Regeln hier nicht auf europäischer Ebene definiert, sondern auf einer übergeordneten internationalen. Und es gibt einen grundlegenden Unterschied. In den USA regiert die Freiheit. Alles ist legal, bis ein Präzedenzfall eintritt und zum Auslöser für neue Gesetze wird. Aus diesem Grund sind Rechtsstreitigkeiten dort viel häufiger als auf unserer Seite des Atlantiks.

In Europa ist der Ausgangspunkt ein völlig anderer. Grundsätzlich ist alles illegal, und bevor ein Produkt auf den Markt kommt, muss es Gesetze dazu geben. Ein unfertiges Produkt wie eine FSD-Betaversion dürfte deshalb niemals wie in den USA für Verbraucher verfügbar gemacht werden. Diese Haltung ist im Allgemeinen gut, beeinträchtigt aber die Verbreitung selbstlernender Systeme: Diese Systeme brauchen Fehler, und zwar viele davon, ebenso wie reichlich gute Beispiele, um zu lernen und sich zu verbessern. In den USA führte dies zu einem Sprung der Fähigkeiten von FSD und massenhaft Daten als Grundlage für weitere Verbesserungen.

Das Versprechen von DCAS

Bei der jüngsten Sitzung der GRVA war der finale Entwurf zur DCAS-Regulierung noch nicht zur Vorlage bereit, doch es besteht Hoffnung, dass er vor Ende Oktober auf den Tisch kommen könnte. Wenn er noch in 2023 verabschiedet wird, könnten die Regeln 2024 in Kraft treten und den regulatorischen Weg für moderne autonome Fähigkeiten ebnen.

Der Hauptvorteil von DCAS besteht darin, dass Fahrzeug-Software Fähigkeiten der Stufen 4 und 5 bieten kann, wobei aber trotzdem der Fahrer in der Verantwortung bleibt. In diesem Szenario kann solche Technologie frei herumfahren und Fehler machen, so wie es jeder frische Fahrschüler tun würde, um aus seinen Fehlern zu lernen. Mit jedem menschlichen Eingriff werden Daten vom Auto zurück in ein Daten-Zentrum geschickt, damit das System besser werden kann. Der Schlüssel zu Verbesserung und Weiterentwicklung dieser Technologie sind Daten. Je mehr, desto besser – raten Sie mal, welches Unternehmen hier die Nase vorn hat.

Die Erwartungen sind groß, und die Stakeholder hoffen auf eine zügige Einreichung des Vorschlags und dann die Abstimmung über die DCAS-Vorschriften. Wenn alles gut geht, könnte dieser Regulierungsrahmen ab 2024 die Landschaft des automatisierten Fahrens gestalten. Möglicherweise wird das weltweite Forum auch erst im nächsten Jahr darüber entscheiden. Dann könnte der DCAS-Vorschlag im Januar 2025 in Kraft treten.

Mein Fazit

Kurz gesagt: Diese Diskussionen und Vorschriften sind keine reine Bürokratie. So langsam der Prozess auch erscheinen mag, sie sind der Kompass für die Integration modernster Technologie in unseren Verkehrsalltag und sollen für Sicherheit, Effizienz und weltweite Einheitlichkeit sorgen. Manchen und vielleicht den meisten Menschen dauert das zu lang. Bedenken Sie jedoch, dass die UNECE-Regeln rund 80 Nationen auf der ganzen Welt abdecken; wenn etwas darin nicht stimmt, kann das also gravierende Folgen haben.

Trotzdem finde ich, dass es die Entwicklung von autonomem Fahren zu sehr einschränkt, für jedes unterschiedliche Fahrassistenz-System neue Regeln zu schaffen. Zudem ist es meiner Meinung nach praktisch unmöglich, definitive Vorschriften für eine Technologie zu erlassen, die sich in einem unglaublichen Tempo weiterentwickelt. Viel sinnvoller sind allgemeine Leitlinien, damit sich die Technologie weiterentwickeln und bei Bedarf steuernd eingegriffen werden kann.

Das Inkrafttreten von DCAS-Regeln wird ein wichtiger Katalysator für selbstfahrende Autos und Technologie in den UNECE-Mitgliedsstaaten werden; die Haftungsfrage ist vorerst geklärt, und menschliche Handlungsfähigkeit und Verantwortung wird gefördert vor dem Hintergrund eines gemeinsamen Ziels, wie es in dem Übereinkommen von 1968 formuliert ist: die Straßen sicherer für alle zu machen und so die Produktivität aller Menschen zu erhöhen, die ansonsten im Stau stecken würden. Ich werde diese Entwicklungen weiter im Auge behalten – denn sie führen uns in die Zukunft des Straßenverkehrs.

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