Bild: Volkswagen (Symbolfoto)
Auf die Frage, wo der Strom für die vielen neuen Elektroautos herkommen soll, gäbe es eine einfache Antwort: 6500 Gigawattstunden gingen laut Volkswagen im Jahr 2019 in Deutschland verloren, weil Windparks wegen eines Überangebots vom Netz genommen wurden – und damit hätten sich 2,7 Millionen Elektroautos laden lassen. Aber deren Akkus können noch mehr, nämlich als Speicher dienen, der in Zeiten mit zu wenig Erzeugung zusätzlichen Strom für den eigenen Haushalt oder auch das ganze Netz zur Verfügung stellt. Bislang ist beides weitestgehend Theorie – aber bei VW sollen alle ab jetzt gebauten Elektroautos darauf vorbereitet sein und frühere mit einem Software-Update diese Fähigkeiten bekommen.
Elektroautos als fahrbare Speicher
„Alle ID.Modelle mit der 77-kWh-Batterie werden künftig für diese Technologie befähigt. Für bereits ausgelieferte Fahrzeuge wird sie sukzessive auch per Over-the-Air-Update verfügbar sein“, teilte Volkswagen am Mittwoch mit. Das klingt immer noch nach Zukunftsmusik, aber die Erwähnung von Updates für schon verkaufte Elektroautos dürfte bedeuten, dass die nötige Hardware dafür bereits jetzt eingebaut ist. Im April hatte der VW-Entwicklungsvorstand dies für die Produktion ab 2022 angekündigt.
An der Nutzung von Elektroautos als fahrbare Speicher arbeitet nicht nur Volkswagen; das Konzept wird als Vehicle-to-Grid oder kurz V2G bezeichnet. Bei Tesla wurde im vergangenen Mai entdeckt, dass das Model 3 technisch ebenfalls in der Lage wäre, Strom nicht nur aufzunehmen, sondern auch abzugeben. Wie sich dann herausstellte, funktioniert das allerdings nur mit Gleichstrom (DC) wie am Supercharger, nicht an der heimischen Wechselstrom-Wallbox. Doch bei Volkswagen sieht es damit nicht anders aus: Für Strom-Transfer und Kommunikation werde eine spezielle bidirektionale DC-Ladestation genutzt, heißt es in der Mitteilung.
Im ersten Schritt plant Volkswagen nach eigenen Angaben ein „Heim-Energie-Management-System“, das Elektroauto-Besitzern unter anderem optimiertes Laden mit eigenem Photovoltaik-Strom ermöglicht. Ebenso sei es damit schon heute möglich, gezielt niedrige Strom-Preise im Tagesverlauf zu nutzen, zu denen es bei einem hohen Angebot aus Sonne und Wind kommen kann. Später sollen VW ID.3 und seine Plattform-Verwandten mit großem Akku Strom zunächst für den eigenen Haushalt zur Verfügung stellen können und danach auch für das allgemeine Netz.
Teure Technik für Gleichstrom-Laden
Die große Frage dabei ist allerdings vorerst, wie sich das individuell rechnen soll. Bei dem geplanten schnellen Ausbau von erneuerbaren Energien in Deutschland und anderswo wären tausende oder sogar Millionen Elektroautos sicher eine wertvolle Stütze für das Stromnetz. Aber was sich für ein ganzes Land lohnt, muss nicht für jeden Einzelnen lukrativ sein, und zumindest bislang sind DC-Ladegeräte ausgesprochen teuer. Einige wenige für Privatleute gibt es bereits. Aber während Wechselstrom-Lösungen schon für weit unter 1000 Euro zu haben sind, kostet zum Beispiel das Gleichstrom-Produkt Quasar des spanischen Unternehmens Wallbox rund 6000 Euro.
Außer über die V2G-Fähigkeit informierte VW am Mittwoch außerdem über zwei Verbesserungen beim unidirektionalen Laden seiner Elektroautos ab 2022. Zum einen soll auch mit ihnen Laden mittels „Plug an Charge“ möglich sein, also ohne Karte oder App zum Freischalten einer Station. Bei Tesla-Superchargern war das schon immer so und wird zunehmend auch von anderen Säulen unterstützt. Außerdem soll die maximale Ladeleistung mit dem 77-kWh-Akku per Software-Update von aktuell 125 Kilowatt auf 135 Kilowatt und 150 Kilowatt beim ID.5 GTX erhöht werden.